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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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er jedoch schon eine Weile nicht mehr zu Hause lebte, wurde er langsam selbstbewusster. Vielleicht musste er ja gar nicht Arzt werden.
    «Also», sagte Charlie. «Ich werd Feuerwehrmann!»
    Elijah lächelte und dachte daran, wie er selbst als kleiner Junge davon geträumt hatte, Feuerwehrmann zu werden.
    «Nein, ehrlich …», sagte Charlie, weil er Elijahs Skepsis spürte. «Ich glaube, es wäre cool, Leuten zu helfen.»
    Winter beugte sich vor und gab Charlie einen Kuss auf die Wange. «Du bist echt süß, weißt du das?»
    Charlie zuckte mit den Schultern, als wäre es keine große Sache, aber innerlich glühte er wie eine Supernova. Und obwohl Elijah ein bisschen eifersüchtig wurde, war er doch meistens froh, wenn er bei Winter und Charlie war. Zwar wohnten sie erst seit ein paar Wochen zusammen, aber durch ihre besondere Gabe waren sie mehr als nur Freunde geworden.
    Sie waren eine richtige Familie.

KAPITEL 36
     
     
    Wortlos betrat Samantha Zinser das Klassenzimmer und schrieb etwas an die Tafel. Zwar überließ sie die Erziehung der Kinder zum größten Teil den Profis, doch ein paar Themen fand sie zu wichtig, als dass sie diese Außenstehenden anvertrauen wollte. Philosophie war so ein Thema.
    Sie trat einen Schritt von der Tafel zurück. Elijah, Winter, Charlie und Jill hatten die merkwürdige Frage schon in ihre Hefte geschrieben.
    «Charlie, was meinst du?»
    Charlie Hammond sah zur Tafel.
    Existiert North Dakota tatsächlich?
    Er starrte sie einen Moment an, als versuchte er, herauszufinden, ob Samantha ihnen eine Fangfrage stellte. Dann nickte er.
    «Natürlich. North Dakota ist ein Staat der Vereinigten Staaten.»
    «Woher weißt du das?»
    Charlie zuckte mit den Achseln. «Das habe ich letztes Jahr in Heimatkunde gelernt.»
    «Okay», sagte Zinser und kam langsam um ihr Pult herum. «Aber woher weißt du, dass es existiert? Warst du schon mal da?»
    «Nein.»
    «Kennst du jemanden, der da war?»
    «Nein.»
    «Schon mal ein Kennzeichen aus North Dakota gesehen?»
    Charlie schüttelte den Kopf.
    «Wieso bist du dann sicher?»
    «Weil ich es in einem Buch gelesen habe.»
    «Warum glaubst du diesem Buch?»
    Charlie zog die Schultern hoch. «Weiß nicht. Tu ich eben.»
    «Du gehst also davon aus, dass alles, was in deinem Heimatkundebuch steht, stimmt?»
    «Mh, ja.»
    «Soll ich dir was sagen?», fragte Zinser. «Ich glaube auch, dass North Dakota existiert – obwohl ich selbst noch nie da war und niemanden kenne, der dort war. Wäre ich allerdings Empirikerin, würde ich es nicht glauben.»
    Zinser schrieb das Wort EMPIRIKER an die Tafel.
    «Empiriker glauben, dass sich Wissen nur durch persönliche Erfahrung erlangen lässt. Daher würden Empiriker einem Schulbuch, den 18-Uhr-Nachrichten oder auch einem Lehrer niemals Glauben schenken. Sie sind die wahren Skeptiker.»
    «Glauben sie an die Bibel?», fragte Jill zögernd.
    «Nein.»
    Jill nickte, konnte ihre besorgte Miene jedoch nicht verbergen. Zinser verkniff sich ein Lächeln. Indem sie die Kinder in Philosophie unterrichtete, konnte sie ihnen nicht nur eintrichtern, was sie denken sollten, sondern auch etwas gegen die Gehirnwäsche ausrichten, die der Priester an Jill vorgenommen hatte. Zinser fuhr fort.
    «Der Empirismus reicht bis zu den alten Griechen zurück, auch wenn allgemein der britische Philosoph John Locke als sein Begründer gilt. 1689 schrieb er das Traktat Versuch über den menschlichen Verstand, in dem er erklärte, Wissen könne sich nur à posteriori einstellen – also nach der Erfahrung. Er sagt, der menschliche Geist beginnt als tabula rasa oder ‹leeres Blatt›, das mit persönlichen Erfahrungen beschrieben wird.
    Lockes Theorien, die nicht nur die Philosophie, sondern auch die Politik und Wirtschaft zum Gegenstand hatten, trugen zur Gründung unseres Landes bei. Zum Beispiel schrieb Locke ausgiebig über den impliziten Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Bürger. Besonders hob er hervor, dass alle Menschen ein Recht auf ‹Leben, Freiheit und Besitz› haben. Kommt euch diese Formulierung bekannt vor?»
    «Das klingt wie ‹Leben, Freiheit und Streben nach Glück› in unserer Verfassung», sagte Winter.
    «Genau», sagte Zinser. «Aus politischen Gründen nahmen unsere Gründerväter eine Änderung vor. Sie machten aus ‹Besitz› das ‹Streben nach Glück›, um zu verhindern, dass Sklaven ihr Recht auf eigenen Besitz anmeldeten.»
    Zinser machte eine Pause, um ihnen Zeit zu geben, über das Gesagte

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