Gnosis
versuchte, zu Atem zu kommen. Er war wieder im Hotelzimmer. Die Verbindung war getrennt.
«Großer Gott!», stöhnte Winter und hielt ihre Hand gegen die Brust gedrückt. «Solche Angst habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gehabt.»
«Ich auch nicht», flüsterte Elijah und staunte, dass er überhaupt sprechen konnte.
«Weißt du, wo sie ist?»
«Ja … nein. Ich meine … es ist schwer zu erklären.»
Elijah verstand nicht, wieso, aber er wusste, dass er sie finden konnte. Er hoffte nur, es wäre nicht zu spät. Mit der einen Hand nahm er Laszlos Trenchcoat vom Stuhl, mit der anderen nahm er Winters Hand, einen kurzen Moment überwältigt von ihrer Kraft.
Die würden sie brauchen.
Darian schaffte es gerade noch bis zur Toilette, wo sie sich übergeben musste. Als nichts mehr kam, trat sie ans Waschbecken und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Sie ging ins Schlafzimmer zurück und suchte in ihrer Handtasche nach Zigaretten. Ihre Hand zitterte so heftig, dass es fast eine Minute dauerte, bis sie sie angezündet hatte. Dann nahm sie einen langen Zug, sog den Rauch tief in ihre Lungen und atmete lang und bebend aus.
Nach ein paar Zügen versuchte sie, zu rekonstruieren, was eben geschehen war. Sie hatte geschlafen, als jemand in ihr Bewusstsein gedrungen war. Aber warum? Ein Angriff? Oder etwas anderes? Sicher wusste Darian nur, welches Gefühl man ihr eingegeben hatte.
Angst.
Irgendetwas musste passiert sein. Sie hätte sich nicht darauf einlassen dürfen. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es ein Fehler war, aber schließlich hatte sie sich Laszlo trotzdem angeschlossen. Und alles, weil sie immer noch wollte, dass er ihr verzieh. Aber warum sollte er ihr Angst machen wollen? Hatte sie seine Gefühle versehentlich aus dem Äther aufgefangen, oder wollte er sie vor etwas warnen?
Irgendjemand kommt. Valentinus oder die Organisation. Eins von beidem.
Unruhig tastete Darian nach, doch fand sie nichts Ungewöhnliches. Nur die schlummernden Emotionen der paar hundert Leute in ihrem Umkreis. Der Mangel an Boshaftigkeit tröstete sie, aber es gab immer Möglichkeiten, solche Gefühle zu verbergen.
Ihr Herz schlug bis zum Hals, als Darian zur Tür hinauslief, ohne auch nur einen Mantel mitzunehmen. Ihre Waffe war ihr Geist. Der musste genügen.
KAPITEL 6
31. DEZEMBER 2007 – 00:13 UHR (23 STUNDEN, 47 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
Darian drückte auf den Knopf. Nachdem sie zehn Sekunden warten musste, bekam sie so ein komisches Gefühl. Ihr fielen die Filmszenen ein, in denen sich die Fahrstuhltüren öffnen und das Opfer dem Killer direkt in die Arme läuft. Sie entschied sich für die Treppe und rannte das graue Treppenhaus hinab.
Unten angekommen, war ihr etwas schwindlig. Sie betrat die Lobby. Der beleibte Portier blickte von seiner Zeitung auf und sah sie seltsam an. Darian kam sich blöd vor. Sie machte sich doch läch-
Das hast du beim letzten Mal auch gedacht.
Grußlos lief Darian auf die Straße hinaus. Als sie den Bürgersteig entlangrannte, spürte sie ein leichtes Stechen, als folgte ihr jemand. Sie sah sich um, doch der Bürgersteig war leer.
Eben wollte sie sich wieder umdrehen, als sie mit einem großen, dunkelgekleideten Mann zusammenstieß. Sie prallte gegen seinen harten Oberkörper, und er packte sie bei beiden Armen. Sie wollte schon aufschreien, da sah sie die silberne Plakette an seiner Brust.
«Alles in Ordnung, Miss?», fragte der Cop.
«Ja», sagte Darian, überwältigt vor Erleichterung. Sie sah sich nochmal um, doch da war keiner.
«Werden Sie verfolgt?», fragte er.
«Nein», sagte Darian und versuchte, ihrem Herzen den Befehl zu geben, nicht mehr ganz so schnell zu schlagen.
«Kann ich Sie irgendwohin begleiten?»
Plötzlich merkte Darian, dass sie ihn nicht fühlte. Wo sein Geist sein sollte, war nur eine kühle, harte Schale. So etwas hatte sie nicht mehr gespürt seit … sie suchte seinen Hals ab. Da sah sie eine schmale Silberkette. Ihr blieb das Herz stehen.
Der Polizist war mindestens einen Meter neunzig groß. Nie im Leben würde sie ihm entkommen. Ihr blieb nur eine Chance. Sie griff nach seiner Hand. Doch der Schutzschild zerbrach nicht, nichts regte sich. Bevor sie reagieren konnte, riss der Cop sich los, holte aus und schlug ihr in den Magen.
Ihr blieb die Luft weg. Sie japste und hielt sich den Unterleib. Der Cop packte sie bei der Kehle und drückte sie gegen die Mauer. Er hielt ihr die Handgelenke über ihrem Kopf
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