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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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ist nicht vollkommen.»
    «Genau: GOTT IST NICHT VOLLKOMMEN.» Valentinus schwieg einen Augenblick, um das Gesagte wirken zu lassen. «Was wir von ihm geerbt haben, ist das Ego. Und dieses Ego hat Adam dazu veranlasst, in den Apfel zu beißen. Das Ego treibt Gier und Selbstsucht an, die für so viel irdisches Leid verantwortlich sind.
    Wir besitzen ein Ego, weil auch Gott eines besitzt. Und zwar ein so großes Ego, dass Gott seine eigene Herkunft vergessen hat und sich uns als einzig wahrer Schöpfer darstellt. Obwohl es in Wirklichkeit noch einen gibt. Nämlich den wahren Gott.»

KAPITEL 8
31. DEZEMBER 2007 – 00:38 UHR (23 STUNDEN, 22 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Fast zehn Minuten liefen sie durch die kalte Nacht. Zwar konnte Winter immer noch Elijahs und Darians dumpfen Schmerz spüren, aber Darian war etwas ruhiger als vorhin, als sie gerade erfahren hatte, was geschehen war.
    Winter traf einen Entschluss: Sie mussten die Stadt verlassen, bevor Elijah weiter abbaute.
    Jeder Obdachlose, an dem sie vorüberkamen, drang in Elijahs Bewusstsein ein. Da Darian noch viel zu mitgenommen war und nicht helfen konnte, gab sich Winter Mühe, allgemeines Wohlgefühl zu verbreiten, doch Elijahs Trauer war sie nicht gewachsen.
    Sie mussten weg hier. Er brauchte Abgeschiedenheit. In den Wolkenkratzerschluchten von Manhattan gab es kein Entrinnen. Winter hörte in ihrer Tasche etwas leise klimpern.
    Natürlich!
    Sie griff in ihre Jackentasche und schloss die Hand um die Kette, die sie dem Wachmann abgenommen hatte. Augenblicklich verstummte die Welt. Sie nahm Elijahs Hand. Als sie seine Finger berührte, stürmten seine Qualen auf sie ein, sodass ihr augenblicklich die Augen brannten.
    Doch nun war er Darians Trauer nicht mehr ausgeliefert. Eine Minute später atmete er wieder normal. Sein Herz schlug langsamer.
    Elijah blickte zu ihr auf. Seine Augen waren rot und blutunterlaufen, aber eine leise Hoffnung sprach daraus. Er sah sie mit so mattem Lächeln an, dass es ihr das Herz brach.
    «Danke», flüsterte er.
    Sie war so gerührt, dass ihr der Atem stockte. Aber nicht so sehr seine Worte berührten sie, sondern diese singende Aufrichtigkeit, für die sie ihn am liebsten in den Arm genommen hätte.
    «Gern geschehen. Hier, nimm die Kette!» Sie drückte ihm die Kette in die Hand und trat einen Schritt zurück.
    Sobald sie den Kontakt unterbrachen, wurden die Klänge seiner Psyche leiser. Elijah lehnte den Kopf an eine Hauswand und schloss die Augen. Er genoss die Erlösung vom Seelenschmerz dieser Stadt. Winter wandte sich zu Darian um.
    «Sind Sie …?»
    «Es geht schon», sagte Darian schroff. «Ich kann nur … ich kann nur nicht fassen, dass er nicht mehr da ist.»
    «Es tut mir so leid», sagte Winter. «Er war ein ganz besonderer Mensch, nicht wahr?»
    «Ja.» Darian wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. «Das war er.»
    Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie buchstäblich ihre Trauer von sich abschütteln. Als sie aufblickte, war ihr Kummer verflogen.
    «Nein, nur weggesperrt», antwortete Darian auf Winters unausgesprochene Frage. Darian sah hinüber zu Elijah, der noch mit geschlossenen Augen an der Mauer lehnte. «Er hat mir meinen Schmerz abgenommen, ihn mir zurückgeschickt und dann wieder aufgesogen. Wie eine Rückkopplung.»
    «Aber ich dachte, er ist nur ein Rezeptor.»
    «Nein», sagte Darian und strich mit dem Finger sanft ein Haar aus Elijahs verschwitzter Stirn. «Er projiziert auch. Nur nicht so stark wie du. Aber du hast recht. Vor allem ist er ein Rezeptor. Das ist ein wahrer Fluch. Schwer zu kontrollieren. Wenn man eher projiziert, geht praktisch alles von dir aus. Aber Rezeptoren empfangen … na, ja …», Darian machte eine ausladende Handbewegung, «… einfach von überall.»
    Winter nickte und wünschte, sie hätte mehr Zeit, das alles zu begreifen.
    «Ich habe so viele Fragen. Laszlo starb, bevor …»
    Winter unterbrach sich. Darians Schmerz traf sie wie ein Stich in die Brust, wenn er auch so schnell verging, wie er gekommen war.
    «Es geht schon.» Darian wischte sich über die Augen und sah sich um. Da fiel ihr ein rotblinkendes Neonschild am Ende des Blocks auf: PARKHAUS.
    «Warte hier. Ich bin gleich wieder da.»
    Bevor Winter reagieren konnte, lief Darian los. Kaum eine Minute später kam ein dunkelgrüner Porsche aus dem Parkhaus. Der Motor heulte, und der Wagen raste auf Winter und Elijah zu.
    Schon wollte Winter zur Seite springen, als der Porsche

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