Gnosis
0.0.0.255
25-Astor Place. 10003.lga.ny.us
Er ging zu Google Maps und gab die Adresse ein.
«Es ist dieser große Starbucks an der Ecke Astor und Lafayette im Village.»
«Bist du sicher?», fragte Elijah.
«Ich treib in elf Minuten einen Blogger auf, und dir fällt nichts Besseres ein als: ‹Bist du sicher?› Natürlich bin ich sicher. Meinst du, ich hab mir die Adresse ausgedacht?»
Elijah starrte ihn nur an.
«Okay, könnte sein, dass ich so was tun würde», räumte Grimes ein. «Hab ich aber nicht.»
Winter gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sofort spürte Grimes etwas Hartes in seinen neuen Khakis.
«So sieht Anerkennung aus!» Stevie trat auf die Straße hinaus und winkte ein Taxi heran. Er sah sich nach Elijah um und rief: «Auf in die Bathöhle, Robin!»
Elijah wollte sich beherrschen, aber er musste einfach lächeln.
«Ich wette, die tun Crack in ihren Kaffee», sagte Grimes und schüttelte den Kopf, als er den überfüllten Coffeeshop sah. «Wer trinkt denn dieses Zeug noch nach Mitternacht?» Dann sagte er zu Elijah: «Nimmst du dein Mojo zur Hilfe, um SpyGurl auszuräuchern?»
Fahrig fummelte Elijah an seiner Kette herum. Die Vorstellung, sie abzunehmen, war beängstigend. Nervös sah er sich in dem mehr als gut besuchten Laden um. Hätte Winter nicht seine Hand gehalten, wäre er nicht stark genug gewesen, überhaupt hineinzugehen.
«Ist schon okay», sagte Winter. «Ich … ich kann das übernehmen.»
Doch Elijah sah die rosig orange Angst, die sie umschwirrte wie ein Schwarm Bienen. Auch wenn Winter keine Haptophobikerin war, fürchtete sie sich doch genauso, ihre Kette abzunehmen – vielleicht sogar noch mehr als er selbst.
Plötzlich hatte Elijah eine Idee. «Ich weiß, wie wir es machen können, ohne … ihr wisst schon.»
«Und wie?», fragte Winter hoffnungsvoll.
«Ihr werdet sie nicht so einfach finden», sagte Stevie. «SpyGurl hat ‘ne Menge Leute vor den Kopf gestoßen. Sie wird sich nicht zu erkennen geben, nur weil ihr ‹Bitte, bitte› sagt.»
«Kommt einfach mit.»
Elijah und Winter hielten sich an der Hand, und Grimes ging hinter ihnen.
Sobald sie über die Schwelle kamen, stieg Elijah das kräftige Aroma der Kaffeebohnen in die Nase. Er konzentrierte sich auf den Duft und versuchte so zu tun, als stünde er allein in seiner Küche statt vor zweihundert Fremden.
Winter drückte seine Hand, und er schöpfte neuen Mut. Er konnte es schaffen. Er ließ ihre Hand los und stieg auf einen der runden Tisch. Bevor ihn der Mut wieder verlassen würde, rief er:
«K-k-könnten Sie bitte mal herhören?»
Die Gespräche verstummten, und vierhundert Augen blickten auf. Elijah spürte, wie die Blicke ihn durchbohrten. Er sah gespenstische Farben aufkommen, doch seine Kette schützte ihn.
«Ich suche einen Blogger namens SpyGurl!»
Elijah sah sich um. Zwar hatte er keine Ahnung, wie SpyGurl aussehen mochte, aber es war auch egal. Er suchte nicht nach einem Gesicht – er suchte nach einem Gesichtsausdruck.
Die meisten Leute blickten entweder neugierig oder genervt. Elijah hatte sich die Hälfte aller Frauen angesehen und bei keiner einen Hauch von Angst entdeckt. Dann fand er sie. Sie tat, als wäre nichts, doch ihre Stirn, die Augenbrauen (AU 1 und 2) und die hochgezogenen Oberlider (AU 4) verrieten sie. Die leicht gespitzten Lippen (AU 5) räumten jeden Zweifel aus.
«Hab ich dich», flüsterte Elijah. Er sprang vom Tisch.
Winter nahm seine Hand. Gemeinsam schoben sie sich zwischen den Tischen durch, bis Elijah vor einer zierlichen Japanerin in dicker Army-Jacke stehen blieb. Sie trug ein schwarzes Tanktop und einen karierten Minirock und starrte ihn an, mit weitaufgerissenen Augen, braun wie die gefärbten Strähnen in ihrem Haar.
«Ihr müsst mich verwechselt haben», sagte sie und klappte ihr Notebook zu.
«Nein», sagte Elijah, der an ihrem Gesichtsausdruck sah, dass sie log.
Plötzlich stand Grimes neben Elijah. «Mann, das ist doch nicht SpyGurl! Die ist höchstens siebzehn!»
«Ich muss los …», sagte das Mädchen und schob ihren Computer in eine olivgrüne Botentasche. «Wenn Sie mir folgen, ruf ich die Bullen.»
«Warte!», sagte Winter. Sie berührte das Mädchen am Handgelenk.
Plötzlich kam Leben in die Farben des Mädchens, denn Winter wirkte wie ein Verstärker zwischen SpyGurl und Elijah. Bevor er ihre Gefühle verarbeiten konnte, war SpyGurl schon von atemberaubendem Rot umgeben.
Die Gäste im Coffeeshop sahen immer noch neugierig
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