Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
Vom Netzwerk:
einmal geglaubt. Nun jedoch stellte er alles in Frage – seine Religion, seinen Glauben und selbst die Welt, in der er lebte. Valentinus hatte recht. Die Erde war ein wahrlich schäbiger, grausamer Ort. Als Solothurn am Morgen die Nachrichten sah, hatte er Valentinus’ Worte noch im Sinn. Und er sah die Welt mit anderen Augen.
    Tragödien schienen die Menschen ohne Sinn und Verstand zu ereilen. Und warum? Alles nur, weil Adam in den Apfel gebissen hatte? Das ergab doch keinen Sinn. Er wusste gar nicht, wieso ihm das bisher nicht aufgefallen war.
    Weil der Schöpfer die Wahrheit mit Doktrinen und falschen Normen verschleiert hat.
    Er konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich so dachte. Glaubte er wirklich, dass der Gott, zu dem er sein Leben lang gebetet hatte, wie Luzifer war – auch nur ein gefallener Engel? Dass Jesus Christus nicht sein wahrer Sohn war, sondern der Emissär eines anderen, ermordet, bevor er seine wahre Botschaft überbringen konnte?
    Oder glaubte er, was man ihn sein Leben lang gelehrt hatte?
    Von Altishofen hielt die stählerne Waffe mit fester Hand, während er mit seinem Glauben rang. Wie sein Vater und dessen Vater vor ihm war auch für Solothurn seine Stellung in der Schweizer Garde eine außerordentliche Ehre. Er war in dem Glauben erzogen, dass er in Gottes Auftrag handelte und seine Hirten während ihrer Zeit auf Erden schützte.
    Falls sich Solothurn jedoch die ganze Zeit geirrt haben sollte, dann handelte er keineswegs edelmütig. Dann wirkte er nicht aufseiten des Guten, sondern aufseiten des Bösen. Und er trug auch nicht zur endgültigen Rettung der Menschheit bei.
    Er war Teil des Problems.

KAPITEL 22
30. DEZEMBER 2007 – 21:49 UHR (26 STUNDEN, 11 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Das Licht der grellen Neonröhren blendete Elijah.
    Er wandte seinen Kopf zur Seite und starrte an eine graue Wand. Er versuchte, sich aufzusetzen, aber es ging nicht. Plötzlich merkte er, wieso die Bettdecke so verdammt stramm saß. Er steckte in einer Zwangsjacke. In Panik versuchte Elijah vergeblich, seine Beine freizustrampeln.
    Und die Farben. Alles war voller Farben, und sie umspülten ihn wie Wellen, die an Felsen schlugen. Jede davon ein anderes Gefühl, hell und pulsierend.
    Kristalline blaue Freude. Psychedelisch pinke Erregung. Pechschwarzer Hass. Gelbrote Paranoia. Und dazwischen immer wilde gelbe Angst. Er sog Luft in seine Lungen und schrie.
    «Hilfe!»
    Es kam schwach und heiser heraus. Das Entsetzen, weder zu wissen, wo er war, noch, was hier vor sich ging, packte ihn wie eine Eisenfaust. Er musste raus. Er musste …
    Die schwere Eisentür ging auf, und eine zierliche Inderin im weißen Kittel kam herein.
    «Beruhigen Sie sich bitte, Mr. Glass! Ich bin Dr. Shandry.»
    Die Stimme der Ärztin klang müde, aber freundlich. Eine erschöpfte Mutter, die ihr Kind belehrte.
    «Helfen Sie mir!», stöhnte Elijah und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme vor Entsetzen zitterte. «Ich habe solche Angst. Warum …» Er schwieg, als er sich mit einem Mal erinnerte. Er hatte gelacht
    (hysterisch)
    und am Boden gelegen, als Michael Biehn versucht hatte, ihn festzuhalten. Und dann -
    «Habe ich jemanden verletzt?»
    «Woran können Sie sich erinnern?»
    «Habe ich jemanden verletzt?» Elijahs Stimme wurde lauter. Er war ganz benommen vor Angst. Er konnte sich nicht konzentrieren. Es fiel ihm schwer, der Ärztin in die Augen zu blicken, sich auf ihre Stimme zu konzentrieren. Aber er musste es wissen.
    «B-b-bitte …»
    Dr. Shandry gab keine Antwort, doch das musste sie auch nicht. Elijah spürte ihr Unbehagen. Er ballte eine Faust. Seine Knöchel schmerzten, sie waren wund von den Fesseln, die man ihm angelegt hatte. Er erinnerte sich noch, dass er auf Biehns gebrochene Nase eingeschlagen hatte, wie die Knochen splitterten und …
    Oh, mein Gott. Nein.
    «Habe ich … jemanden umgebracht?»
     
    Verzweifelt rieb sich Winter die Arme. Ihr war kalt. Anfangs war ihr aus lauter Angst die Kälte nicht aufgefallen, doch nachdem sie drei Stunden lang auf dem eisigen Kiesweg um das Wasserreservoir gelaufen war, fühlte sie sich halb erfroren.
    Sie konnte gar nichts anderes denken. Der schneidende Wind im Gesicht. Die frostige Kälte in den Knochen. Der pochende Schmerz in ihren Zehen. Sie atmete tief ein, und eisige Luft drang in ihre Lungen.
    Sie rang mit ihren kalten Tränen und blickte zu den Wolkenkratzern auf, die den Park umgaben. Sie leuchteten in warmem Licht. Sie waren

Weitere Kostenlose Bücher