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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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«Sind Sie sicher, dass Sie weitergehen wollen?»
    «Ja», sagte Darian. Ihre Stimme war ruhig und fest, wenn es sie auch Mühe kostete.
    Pater Sullivan seufzte widerwillig und ging die Stufen hinab. Darians Schuhe klackerten auf dem Stein. Mit jedem Schritt konnte sie den eisigen Hass deutlicher spüren. Als sie unten ankamen, nahm Darian noch andere Emotionen in unterschiedlicher Abstufung wahr – Trauer, aber auch Hoffnung. Doch die Hoffnung hatte eher etwas Bedrohliches als Optimistisches.
    Darian blieb stehen. «Ich brauche noch einen Moment, Pater.»
    «Sicher», sagte Pater Sullivan und blickte zu Boden, um ihr so etwas wie Privatsphäre zu lassen. Darian schloss die Augen und versuchte zu entscheiden, was sie tun sollte.
    Das ist keine gute Idee. Dieses Mädchen ist gefährlich. Laszlo hast du schon um den Finger gewickelt, und bald bekommst du auch Elijah und Winter. Kehr um!
    - Aber ich kann ihr helfen.
    Unsinn. Du interessierst dich nur fürs Geld.
    - Ist das denn so falsch?
    Wenn du nicht mehr lebst, nützt es dir jedenfalls nichts.
    Darian rührte sich nicht, sie wusste nicht, ob ihre Gier oder ihre Angst größer war. Auf der einen Seite winkte eine Belohnung von 100.000 Dollar. Auf der anderen war da die zunehmende Gewissheit, dass das kleine Monster es vielleicht nicht wert war. Vielleicht war Jill tatsächlich besessen. Vielleicht sollte sie besser zum Wohle aller hier im Keller einer Kirche eingesperrt bleiben.
    Darian wusste, dass ihre Angst unbegründet war – aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie gerade den größten Fehler ihres Lebens beging. Jahre später, als sie am Boden lag und langsam verblutete, dachte sie an diesen Augenblick zurück und verfluchte sich dafür, dass sie nicht auf ihren Instinkt gehört hatte.
    Hätte sie gewusst, was geschehen würde, hätte Darian das Mädchen dort sterben lassen. Doch sie wusste nur, dass ihr die größte Prämie ihres Lebens entgehen würde, wenn sie jetzt umkehrte. Und dazu war sie nicht bereit, nur weil sie ein komisches Gefühl hatte.
    Darian schlug die Augen auf und versuchte, den fauligen Geruch nicht wahrzunehmen, der von dem Mädchen, jetzt keine zehn Meter mehr entfernt, ausging.
    «Retten wir die Prinzessin!»

KAPITEL 15
     
     
    Als sie zu der dicken Stahltür kamen, blieb der Priester stehen. Darian konnte den Hass des Mädchens spüren und wie sie mit geistigen Tentakeln um sich tastete wie ein Blinder mit seinem Stock.
    «Wer ist da?», fragte eine unerwartet hohe Stimme hinter der schweren Tür. «Bitte helfen Sie mir! Bitte …»
    Das Mädchen fing an zu schluchzen. Sie war traurig, doch Darian spürte auch deutlich ihre Wut. Dieses Geschöpf hinter der Tür war kein unschuldiges, kleines Kind. Es war ein Tier, das in der Falle saß.
    Noch ist es nicht zu spät. Noch kannst du umkehren …
    Doch Darian hörte nicht auf ihre innere Stimme und sagte: «Machen Sie die Tür auf!»
    Der Priester ließ die Schultern hängen. Er nahm seinen riesigen Schlüsselbund und schob den Schlüssel in das neue Schloss, das offenbar erst kürzlich in das alte Holz eingebaut worden war. Der Riegel schob sich zurück, und die Tür ging auf.
    Als das Mädchen den Priester erkannt hatte, schlug Hass in dem Kellerraum hoch wie Flammen, doch wich dieses Gefühl augenblicklich glühender Hoffnung, als die Tür ganz offen stand und das Mädchen Darian zum ersten Mal in die Augen blickte.
    Zwar hatte sie gewusst, dass das Kind ungefähr so aussehen würde, wie es sich anfühlte, doch staunte sie über Jills klare, offene Züge. Das schmutzige Gesicht und die großen, graugrünen Augen hatten etwas Unbedarftes an sich.
    Die Kleine mochte hübsch sein, doch sie war fast verhungert. Strähnig hing ihr dunkelbraunes Haar herab. Spitze Ellbogen ragten aus verdreckten weißen Ärmeln und knochige Knie aus einem ausgefransten, dunkelblauen Rock. Das Gefühl übermächtiger Hoffnung erdrückte Darian fast, als das Mädchen sie anstarrte.
    «Hallo», sagte die Kleine, und ein abgebrochener Zahn war zu sehen. Nervös zwirbelte sie an ihrem verfilzten Haar herum. Die schwere Kette um ihr Handgelenk klirrte auf dem Boden.
    «Hallo», sagte Darian und verbarg Angst und Geldgier hinter einer Zuneigung, die sie nicht empfand. «Ich bin Darian.»
    «Ich bin Jill», schniefte das Mädchen, voll wilder Sehnsucht. «Nehmen Sie mich mit?»
    «Möchtest du das gern?»
    «Ja, Ma’am», sagte Jill mit unschuldigem Blick.
    «Lass mich kurz mit Pater Sullivan sprechen,

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