Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
so, in dieser Zeit habe ich begriffen, wozu Menschen in der Lage sind, welch unvorstellbar schreckliche Dinge sich Menschen gegenseitig antun können. Während des Kriegs und auch in den Jahren danach hat mich das eigentlich alles ziemlich kaltgelassen. Erst als Tina und ich schon verheiratet waren, kamen die Dinge plötzlich wieder hoch.
Ich hatte einen amerikanischen Soldaten kennengelernt, der mein Freund wurde. Er war der Erste, mit dem ich über meine Erlebnisse sprechen konnte. Wir haben viele schlimme Erfahrungen geteilt und wussten einfach, wovon der andere redet. In diesen Gesprächen habe ich zum ersten Mal kapiert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber es gab auch viele Situationen in meinem Alltag, die mich irritierten. Einmal stand ich zum Beispiel mit dem Akkuschrauber in der Hand auf unserer Veranda und wollte etwas reparieren. Da flog ein Vogel übers Dach und ohne nachzudenken, ging ich in Deckung und zielte mit dem Akkuschrauber auf den Vogel, als wäre ich in dem Moment ein ferngesteuerter Roboter und gar nicht ich selbst.
Eine weitere Folge von damals ist, dass ich den Geruch von verbranntem Fleisch nicht mehr ertragen kann. Dieser Geruch hat sich so sehr in meinem Kopf festgesetzt, dass ich ihn nicht mehr mit etwas anderem assoziieren kann. Wenn sich jemand in meiner Nähe ein Schnitzel brät, wird mir speiübel. Da läuft mir richtig die Spucke im Mund zusammen und ich muss sofort flüchten, sonst muss ich mich übergeben. Auch den Geruch von rohem Fleisch an der Fleischtheke halte ich kaum noch aus.
Tina: Besonders schlimm ist es bei ihm, wenn ich rohes Hackfleisch für die Igel brate. Wir betreiben nämlich eine private Auffangstation für Wildtiere und versorgen unter anderem Igel, die verletzt oder krank sind oder noch nicht schwer genug, um durch den Winter zu kommen. Kürzlich haben wir sogar Deutschlands erste Igelklappe bei uns installiert. Nun kann man die Tiere auch bei uns abgeben, wenn wir wegen der Arbeit nicht zu erreichen sind. Obwohl Marco und ich beide vegan leben, füttern wir die Igel weiterhin mit Fleisch. Weil die Tiere meist krank und geschwächt sind, wollen wir sie nicht zusätzlich mit einer Ernährungsumstellung belasten, bei der sie womöglich Durchfall bekommen. Daher füttern wir vorwiegend Hackfleisch, Schnecken und Würmer.
Marco: Je mehr ich mich mit meiner Vergangenheit beschäftigt habe, desto stärker wurde dieser Reflex. Tina hat anfangs immer für sich vegetarisch und für mich mit Fleisch gekocht. Irgendwann habe ich von selbst gesagt: »Wenn du das nächste Mal was machst, dann brauchst du mir nichts extra zu kochen. Ich esse einfach bei dir mit.« Seitdem geht es mir viel besser.
Tina: Vegan zu leben war für mich lange Zeit überhaupt kein Thema. Im Gegenteil, wenn mich vor drei, vier Jahren jemand gefragt hat: »Bist du Vegetarier oder Veganer?«, habe ich immer geantwortet: »Ich bin nur Vegetarier, ich bin doch nicht bekloppt!« Ich war einfach der Meinung, wenn ich Biomilch und Bioeier kaufe, werden die Tiere nicht gequält. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, ich habe damals einfach nicht über den Tellerrand geguckt.
Dann haben wir Leute von den »Tierversuchsgegnern Saar«, kurz TVG Saar kennengelernt. Die veranstalten regelmäßig einen großen veganen Brunch, zu dem jeder kommen kann. Für ziemlich wenig Geld kann man dort so viel essen, wie man möchte, und hört sich währenddessen einen Vortrag über Tierrechte oder Veganismus an. Da sind wir hingegangen, recht skeptisch zwar, aber wir wollten uns das mal ansehen. Wenn ich ehrlich bin, dachte ich, wir kommen da hin und da stehen dann Brot und ein paar vegane Aufstriche auf dem Tisch und das war’s. Wir haben also mit einer eher traurigen Veranstaltung gerechnet.
Als wir dann dort waren, haben wir uns erst mal angeguckt und gedacht, wir wären am falschen Ort gelandet. Da standen Sahnetorten und mit Käse überbackene Aufläufe auf dem Tisch. Ich war echt verwundert, denn ich hatte damals noch keine Ahnung, dass man auch ganz normale Gerichte auf veganer Basis kreieren kann. Als wir wieder heimfuhren, waren wir beide dermaßen vollgefressen und satt, dass wir dachten, wir könnten die nächsten drei Tage nichts mehr essen. Wir waren beide absolut positiv überrascht. Zwar fanden wir den Geschmack der ganzen Sojaprodukte anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht unbedingt schlecht. Also sind wir immer mal wieder hingegangen.
Ein halbes Jahr nach dem ersten Brunch waren wir zusammen
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