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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Angeblich hatte er versucht, Thestors Sohn zu ermorden. Das hielt Pirra zwar für eine Lüge, mit der die Krähen Userref abgespeist hatten, aber der Junge konnte trotzdem gefährlich sein. Abgesehen davon stapfte er geradewegs auf ihr Versteck zu.
    Mit klopfendem Herzen wich sie hinter den Felsbrocken zurück.
    Der Kies knirschte, als er näher kam. Dann trat Stille ein. Offenbar war er am Fuße der Landzunge stehen geblieben.
    Vorsichtig spähte Pirra um den Felsen herum.
    Er stand direkt unter ihr, am Fuß des Hanges. In seinem merkwürdig sandfarbenen Haar hing Seegras, die Tunika war zerschlissen und salzverkrustet. Sein sehniger Körper war mit blauen Flecken übersät, und an seinem Oberarm sah sie eine dunkelrote, entzündete Wunde. Er hielt ein Bronzemesser in der Faust. Pirra hielt den Atem an.
    Schon machte er sich daran, die Böschung zu erklimmen.
    Nein , befahl sie ihm stumm, komm bloß nicht hier rauf!
    Anscheinend besann er sich plötzlich eines Besseren, sprang wieder nach unten auf den Kies und ging am Strand entlang zurück.
    Pirra atmete zitternd aus.
    Drüben an den Klippen grub er jetzt mit einem Stock ein Loch. Warum nur? Anschließend ging er ans Ufer und fischte eine Planke aus den Wellen, die er über den Strand schleppte und senkrecht an die dicht beieinanderstehenden Felsblöcke lehnte. Dann holte er noch mehr Treibholz. O nein! Der Junge baute sich einen Unterschlupf – keine zwanzig Schritte von ihrem Versteck entfernt.
    Er war fast den ganzen Morgen damit beschäftigt. Zum Schluss schichtete er Dornenzweige auf das Treibholz, und der Unterschlupf war fertig. Nun hatte er ein flaches Holzstück entdeckt und bohrte mit dem Messer eine Kerbe hinein. Was hatte er denn jetzt schon wieder vor? Pirra reckte neugierig den Hals, als er sich hinsetzte, einen Fuß auf das Holzstück stellte, damit es nicht verrutschte, und ein Stöckchen senkrecht in die Kerbe steckte. Er drehte das Stöckchen zwischen den Handflächen und bewegte dabei seine Hände auf und ab. Nach einer Weile sah Pirra ein Rauchwölkchen aufsteigen. Stetig den Stock weiterdrehend, beugte sich der Junge vor und blies vorsichtig. Eine Flamme zuckte hoch. Er legte etwas getrocknetes Gras darauf, dann kleine Zweige und schließlich einen Ast. Bald flackerte ein munteres Feuer.
    Pirra war zugleich erstaunt und verärgert. Dieser verlotterte, lykonische Bauernlümmel hatte ihr etwas voraus. Sie hatte sich von einem Ziegenhirten ausstechen lassen!
    Nicht weniger verblüfft sah sie zu, wie er drei Stöcke anspitzte und sie mit Seegrasschnüren an einem Stück Treibholz festband. Ein dreizackiger Speer! Dann legte er sich an einem Felstümpel auf die Lauer.
    Er stach blitzschnell zu und als er aufstand, zappelte ein kleiner Fisch am Ende des Speers. Voller Abscheu beobachtete sie, wie er den Fisch roh verschlang. Zwei weitere Fische, die er aufspießte, legte er zum Garen aufs Feuer.
    Inzwischen war der Nachmittag bereits vorgerückt. Ihr war schwindlig vor Hunger. Der Junge verspeiste die beiden gebratenen Fische und ließ nur die Köpfe übrig, die er neben seinem Unterschlupf ablegte, vermutlich eine Art primitiver Opfergabe.
    Aus dem Loch, das er anfangs gegraben hatte, schöpfte er Wasser mit der hohlen Hand und trank gierig. Erst jetzt begriff sie, dass Grundwasser in die Grube gesickert war, die er offenbar zu diesem Zweck ausgehoben hatte. Gar nicht so dumm, aber die Ausbeute war recht mager. Zumindest in diesem Punkt hatte sie ihm etwas voraus. Er wusste nichts von dem unterirdischen Bach in der Höhle.
    Nachdem er nochmals zwei Fische erbeutet und sie in die Glut gelegt hatte, zog er einige Büschel getrocknetes Seegras in seinen Unterschlupf und kroch hinein.
    In der Abenddämmerung trug die Brise den Geruch der gebackenen Fische zu ihrem Versteck. Pirra hielt es einfach nicht länger aus. Der köstliche Duft ließ sie alle Vorsicht vergessen.
    Behutsam kletterte sie den Hang hinunter. Im Näherkommen hörte sie gleichmäßige Atemgeräusche aus dem Unterschlupf. Er war fest eingeschlafen. Ausgezeichnet.
    In der wabernden Hitze ragte ein schwarz geräucherter Fischschwanz aus der Asche. Sie stocherte mit einem Stöckchen, um ihn herauszuholen.
    Da schnellte eine Hand aus dem Unterschlupf und schloss sich um ihr Gelenk.

O bwohl Pirra wie wild kratzte und um sich trat, ließ sie der unerwartet kräftige Junge nicht los. Mit der freien Hand riss sie an seinen Haaren, aber er drehte ihr den Arm auf den Rücken und warf sie zu

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