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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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beides.
    Selbst wenn es ihm gelingen würde, das Wrack zu erreichen – wie sollte es dann weitergehen? Er musste alles, was er dort fand, Stück für Stück an Land schaffen, bevor er ein Floß bauen konnte, um irgendwie nach Lykonien zurückzufinden, quer übers Meer, wo es von Haien nur so wimmelte …
    »Wir könnten aus der Planke an deinem Unterschlupf eine Art Steg zum Schiff bauen«, unterbrach das Mädchen seine Gedanken.
    »Hm, also ich weiß nicht«, gab er zurück, obgleich er gerade dieselbe Idee gehabt hatte.
    »Sobald du drüben bist, kannst du alles zu mir hinüberwerfen.«
    Er schnaubte. »Du hast wohl Angst, selbst rüberzugehen?«
    »Ich habe keine Angst. Ich kann bloß nicht schwimmen.«
    »Ich habe gedacht, ihr Keftiu würdet das Meer verehren.«
    »Das stimmt auch, aber ich durfte nicht ans Meer, das hat man mir verboten.«
    Hylas blies die Wangen auf. Sie war ja noch nutzloser, als er befürchtet hatte.
    Gemeinsam schleppten sie die Planke heran, aber da sie ihr Ende ständig fallen ließ, schulterte er das Holzbrett schließlich allein. Es gelang ihm, die Planke vorsichtig über den Abgrund hinweg aufs Schiffsdeck zu schieben, sie dort zu verkeilen und landseitig mit Steinen zu beschweren. Dann machte er sich mit unguten Gefühlen an die Überquerung der Behelfsbrücke. Das Holz war schlüpfrig und bog sich unter seinem Gewicht. Unter ihm gurgelte das Meer und schickte Gischtfontänen zu ihm hoch. Doch die Planke hielt, und er erreichte die andere Seite.
    Mit größter Vorsicht setzte er auf den halb verfaulten Deckplanken, die jederzeit nachgeben konnten, einen Fuß vor den anderen. Nasse Segelleinwand und unentwirrbar verknäulte Takelage fand sich in Mengen. Zu seiner Erleichterung entdeckte er anders als befürchtet keine Leichen an Bord. Bis auf eine vermoderte Kappe und eine zerrissene Sandale fand sich keine Spur der einstigen Besatzung. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie die Matrosen nun auf dem Boden des Meeres lagen und aus leeren Augen auf die Fische starrten, die durch ihr Haar schwammen.
    Wer mochten diese Seeleute gewesen sein? Keftiu waren es jedenfalls nicht. In geradezu aufreizendem Brustton der Überzeugung hatte das Mädchen ihm erklärt, Schiffe mit einem solchen Bug gebe es in Keftiu nicht, ihrer Meinung nach handele es sich um ein mazedonisches Schiff. Er war sich nicht sicher, ob er ihr glauben sollte. Ihm wäre es jedenfalls am liebsten gewesen, wenn die Schiffsbesatzung aus Krähen bestanden hätte, die nun nur noch Beute für die Haie wären.
    Der tiefe Frachtraum war mit Wasser vollgelaufen. Als Hylas sich hinkiete und hinunterspähte, sah er Fische in gewaltige, zerbrochene Krüge hinein- und wieder hinausschwimmen. Plötzlich glitt etwas Langes, Dünnes in eine Spalte, und er fuhr mit einem Ruck zurück.
    »Was ist?«, rief das Mädchen.
    Er riskierte erneut einen Blick.
    Aus der Spalte linste etwas zurück. Eine Schlange war es nicht, aber Hylas hatte keine Ahnung, was das für ein Wesen sein sollte. »Hier ist so eine Art – äh, Ungeheuer«, rief er möglichst beiläufig.
    »Wie sieht es denn aus?«
    Das Ding tauchte für einen Augenblick auf, zog sich aber sofort wieder zurück, als es ihn bemerkte. »So ähnlich wie ein Sack, mit großen Augen und vielen Beinen, die irgendwie schlangenhaft aussehen.«
    »Aha, dann ist es ein Tintenfisch. Die sind heilig – und schmecken sehr gut. Versuch doch, ihn aufzuspießen. Du brauchst keine Angst zu haben, er tut dir nichts.«
    »Ich hab keine Angst!«, rief er ärgerlich, hütete sich aber, ihren Vorschlag zu befolgen. Das war bestimmt ein Trick, mit dem sie ihn hereinlegen wollte.
    Er stöberte im Wrack umher und förderte ein Stückchen Ziegenleder zutage, das sich zur Anfertigung einer Schleuder eignete, sowie eine Hülle aus geflochtenem Leder, wie geschaffen für seinen Dolch. Ein weiteres Fundstück war ein kleiner Lederbeutel, dessen komplizierter Knotenverschluss an ein Vipernnest erinnerte. Der Beutel war anscheinend leer, doch als er der Keftiu den Fund beschrieb, erklärte sie – wiederum mit unerschütterlicher Gewissheit –, dies sei ein Windsäckchen, das die Seeleute den Sehern abkauften und die Knoten aufknüpften, damit ihnen auf der Fahrt jeweils der gewünschte Wind blies. Ob er davon denn noch nie gehört hätte?
    Leicht gereizt von ihrer Besserwisserei erforschte er das Wrack weiter.
    Ein kleiner irdener Krug mitsamt dem Wachssiegel war völlig unversehrt. »Hier, fang auf«, rief er ihr

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