Godspeed | Die Ankunft
war mir klar, was er von mir erwartete.
Sie wollen, dass ich gehe.
Ich werfe Junior einen Blick zu. Auf seinem Gesicht breitet sich blankes Entsetzen aus, als er begreift, was Dad vorhat.
»Amy.« Dads Stimme ist streng. »Komm jetzt.«
Ich zögere.
»Diesmal hast du keine Wahl. Du steigst in dieses Shuttle.« Er sieht mir in die Augen. »Es ist zu deiner eigenen Sicherheit.«
Ich mache einen Schritt vorwärts.
Hinter mir gibt Junior ein Geräusch von sich, als würde er ersticken, und er hechtet auf mich zu, doch ich bin schon außerhalb seiner Reichweite.
Ich gehe auf das gigantische Auto-Shuttle zu und rund um mich herum treten alle Geräusche in den Hintergrund. Ich weiß, was ich zu tun habe, ich weiß nur nicht,
wie
ich es tun soll. Ich kann die Leute in den kleinen Einzelboxen sehen, denn sie starren uns durch die klaren Abdeckungen aus Plastik an. Sehr bequem sehen die Boxen nicht aus, aber die Reise dauert nicht lange. Nur ein kurzer Trip in die Umlaufbahn und dann geht es auf die Raumstation. In ein paar Tagen wird dann ein Raumschiff kommen und jeden, der auf der Station wartet, in einem unglaublichen Tempo auf die Erde befördern.
Das alles – dass wir uns in kleine Boxen verpacken und ins All schießen lassen – kommt mir vor, als würden wir weglaufen.
Das gefällt mir nicht. Es ist, als hätten die Aliens gewonnen. Sie wollen uns hier nicht haben und jagen uns von ihrem Planeten.
Wie betäubt stehe ich vor den letzten freien Transportboxen. Aus dem Augenwinkel kann ich Junior sehen. Er sieht zutiefst verletzt aus.
Mir blutet das Herz. Ich habe ihm nicht einmal gesagt, was ich vorhabe. Aber dafür ist es jetzt zu spät.
»Ich gehe zuerst«, sagt meine Mutter und tritt vor. Dad nickt zustimmend. Mom schaut ihn an, und dabei hat sie einen Ausdruck im Gesicht, den ich nicht deuten kann. »Lass mich kurz mit Amy allein reden.« Als er sich nicht rührt, fügt sie hinzu: »Frauensache.«
Dad zieht sich zurück.
Ich sehe Mom in die schimmernden Augen. Ich denke an das, was ich ihr gleich sagen muss, daran, wie ich ihr gleich das Herz brechen werde. Ich greife mir an den Hals und ziehe das kleine Goldkreuz an der Kette hervor, das ich mir vor drei Monaten aus ihrem Koffer geholt habe. »Das ist deins«, sage ich. »Tut mir leid, dass ich es genommen habe.« Ich beginne, den Verschluss zu öffnen.
Sie berührt das Kreuz und drückt es sanft auf meine Haut. »Behalte es«, sagt sie. »Ich habe es gesehen, als du ohnmächtig warst von den Blüten. Es gehört jetzt dir. Ich habe es von meiner Mutter bekommen und gebe es nun an dich weiter.«
»Mom, ich kann nicht –«
Sie nickt, und ich glaube, sie versteht, was ich nicht sagen kann.
Was ich nicht tun kann.
Sie tritt zurück und lächelt, obwohl ihr Tränen in den Augen stehen. Dann schnallt Dad sie in ihrer Box fest und verschließt sie.
Er dreht sich zu mir um.
»Ich gehe nicht«, sage ich.
Ich weiche einen Schritt zurück – auf die Menge zu und auf Junior.
»Was hast du gesagt?« Dad klingt jetzt schon wütend.
»Ich gehe nicht.« Ich lasse keinen Zweifel aufkommen, dass es mir damit ernst ist.
Dad stürmt auf mich zu und aus seinen Augen sprühen Blitze. »Wegen
ihm
?«, brüllt er mich an und zeigt über die Schulter auf Junior. »Wirfst du deine Familie nur wegen
ihm
weg?«
»Natürlich nicht«, sage ich, und diese Antwort reicht aus, um ihn aus seiner Raserei zu schocken. »Ich bleibe nicht nur wegen ihm. Aber ich gehe auch nicht nur wegen dir.«
»Du gehst, dafür werde ich sorgen«, knurrt Dad und packt meinen Arm. Er zerrt mich ein paar Schritte auf das Shuttle zu, doch dann kann ich mich losreißen.
»Du kannst es versuchen«, sage ich und weiche mehrere Schritte zurück. »Aber ich werde bei jedem Schritt gegen dich kämpfen und einen Weg finden, hierher zurückzukehren.«
»Du gehst zurück zur Erde!«, schreit Dad mir ins Gesicht. »Du gehst dahin, wo es sicher ist!«
Ich lache verbittert auf – es klingt fast wie ein hässliches Bellen. »Es ist nirgendwo sicher. Willst du wissen, was ich in den drei Monaten gelernt habe, in denen ich wach war und du nicht? Genau das.«
Dad macht ein Gesicht, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. »Du gehst«, sagt er. »Das tun wir alle. Ich gehe, sobald unsere Mission hier abgeschlossen ist. Wir werden eine Familie sein. Zusammen.«
»Du warst schon einmal bereit, mich aufzugeben«, sage ich.
»Und? Jetzt willst du
uns
aufgeben?«
Seine Worte treffen mich tief,
Weitere Kostenlose Bücher