Godspeed | Die Ankunft
oder noch schlimmer, dass Chris ihr wehtut.
»Kapierst du es nicht? Die Monster, vor denen du solche Angst hast. Keine Aliens.
Menschen
. Deine Monster waren immer nur Menschen.«
Sie schweigt eine ganze Weile und scheint diese Information erst einmal verarbeiten zu müssen. Meine Fäuste lockern sich, und meine verkrampften Fingerknöchel knacken, aber meine Hände zittern trotzdem.
»Das ist keine Erklärung«, erwidert Amy
»Wieso hassen die Sklaventreiber die Sklaven, die nicht arbeiten wollen? Wir sabotieren die Lieferungen und zerstören so viel Ausrüstung, wie wir nur können.«
An meiner Konsole leuchtet der Bildschirm auf. Amy hat die Kom-Verbindung zwischen dem Auto-Shuttle und der Zentauri-Erde absichtlich offen gelassen, damit ich hören kann, was dort vorgeht. Ich mische mich nicht ein – ich kann ohnehin nichts tun. Ich kann nur zuhören, während Amy sich alle Mühe gibt, mir mitzuteilen, was an ihrem Ende vorgeht.
»Ich dachte, du wärst anders.« Chris spricht so leise, dass ich ihn kaum verstehe.
Amy dagegen ist sehr laut. Und wütend. »Lass mich los«, schreit sie. Ich schmecke Blut – ich habe mir so fest auf die Lippe gebissen, dass es blutet. Wenn Chris sie anfasst … wenn er ihr etwas antut …
Auf meinem Bildschirm scrollt das Menü herunter. Das muss von Chris kommen. Beim Programmpunkt ÜBERWACHUNG: KOM-ZENTRUM bleibt das Bild stehen und die Aufnahmen einer Überwachungskamera an der Außenseite des Kommunikationszentrums starten im schnellen Rücklauf. Ich sehe Amy und Chris rennen –
wovor rennen sie weg?
–, dann vergeht eine Nacht. Der Start des Auto-Shuttles. Ich, Amy und Chris, die sich mit dem Glaswürfel hineinschleichen. Militärs. Amy und ich, die die Anlage entdecken. Militärs. Militärs. Und dann – Chris.
Der schnelle Rücklauf stoppt und Chris startet den normalen Abspielmodus, um Amy zu zeigen, was passiert ist. Auf den Bildern trägt Chris keine von den Uniformen, in denen ich ihn kenne, sondern einen dunkelgrünen Tarnanzug, der ein bisschen aussieht wie eine grüne Haut. Er versucht, in das Kommunikationszentrum zu kommen und drückt den Daumen auf den biometrischen Scanner. Doch dort blinkt nicht MENSCH auf, sondern eine Warnleuchte sowie die Worte ZUTRITT VERWEIGERT .
Der Chris auf dem Überwachungsvideo schlägt mit den Fäusten auf die Tür ein – und ein Krachen über Funk verrät mir, dass Chris auch jetzt auf etwas einschlägt, etwas Hartes, Metallisches. Wenn er es wagen sollte, Amy anzurühren …
»Aber … du bist doch ein Mensch«, sagt Amy, aber es hört sich nicht an, als würde sie diese offenkundige Lüge glauben.
»Nicht, soweit es
die
betrifft«, faucht Chris. »
Die
haben unsere Gene manipuliert. Wir sind Hybriden und damit keine echten Menschen mehr.«
»Warum?«, fragt Amy. Ich glaube, sie versucht Chris abzulenken, seinen Hass irgendwie zu dämpfen. »Warum sollte die FRX an eurem genetischen Code herumpfuschen … die Sonneneinstrahlung stellt überhaupt keine Gefahr dar, richtig? Und sie hätten euch doch einfach mit Phydus kontrollieren können.« Sie verstummt. »Nicht, dass ich Phydus gut finde. Aber sie hätten aus euch nicht etwas machen müssen, das … nicht menschlich ist.«
Mir fällt Amys Wortwahl natürlich auf, aber ich glaube, Chris hat es nicht bemerkt. Amy hat nicht gesagt, dass die FRX die Hybriden
weniger
menschlich gemacht hat, sondern
nicht menschlich
.
»Sie wollten effizientere Arbeiter und haben deshalb unsere Körper verändert. Aber das ist nicht alles«, fügt Chris verbittert hinzu. Er klingt jetzt lauter, anscheinend ist er dichter ans Mikro herangetreten. »Sie haben es getan, damit wir
technisch gesehen
nicht mehr als Menschen gelten. Jedenfalls nicht in ihren Augen. Wahrscheinlich können sie nachts besser schlafen, wenn sie sich einreden, dass ihre Sklaven keine Menschen sind.«
Eigentlich will ich mir diese Frage nicht stellen, aber ich tue es trotzdem: Gelte ich für die FRX auch als nicht menschlich, weil ich ein Klon bin?
Jetzt klingt Chris beinahe stolz. »Wir verfügen über alle Vorzüge der FRX -Genmanipulation, die bessere und stärkere Sklaven hervorbringen sollte, aber unsere Gehirne beherrschen sie nicht.«
»Du kannst im Dunkeln sehen«, sagt Amy nachdenklich. »In dieser Nacht am Shuttle …«
Ich habe keine Ahnung, von welcher Nacht am Shuttle sie spricht. Es kostet mich meine ganze Selbstbeherrschung, nicht mit dem Auto-Shuttle zurückzufliegen, und
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