Godspeed | Die Ankunft
Stimme klingt jetzt ganz hohl. »Sie war nur zufällig dort. Sie hatte nichts mit der Bombe zu tun. Aber du hast sie trotzdem ermordet. Du hast fast fünfhundert Leute umgebracht!«
»Das war ich nicht allein!« Jetzt hört er sich panisch an und ängstlich. »Ich habe meinen Leuten Bericht erstattet. Sie glauben, dass du auch zur FRX gehörst und alles tun wirst, was sie sagen. Und sie haben recht, oder etwa nicht? Colonel Martin wollte die Bombe zünden. Und er hat es immer noch vor.«
»Falls er überhaupt noch lebt!«, schreit Amy ihn an. »Du hast deinen Freunden von unserem Plan mit den Blumen erzählt. Deswegen hatten sie Gasmasken auf.« Es herrscht Stille, für meinen Geschmack viel zu lange. »Das war es doch, was sie trugen, stimmt’s? Sehr praktisch, weil sie damit ausgesehen haben wie ›echte‹ Aliens.«
Amy reizt ihn, was ich daran erkenne, wie sie das Wort
echte
ausspricht, und ich habe solche Angst, was Chris jetzt tun wird, dass ich kaum atmen kann. Ich weiß zwar nicht, wovon sie redet, aber eines ist klar: Ich muss etwas unternehmen.
Meine Knöchel sind ganz weiß, weil ich die Kante der Konsole so fest umklammere. Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt. Ich denke an die Fluchtkapsel, die Chris mir gezeigt hat, das Ding, das ich benutzen soll, falls etwas schiefgeht. Vielleicht kann ich damit zur Raumstation fliegen.
Dann kann ich die Waffe zünden.
Aber ich will diese Leute nicht umbringen. Ich glaube nicht an die FRX und will nicht Schuld am Tod unzähliger Menschen sein, vor allem nicht am Tod von unschuldigen, geistlosen Drohnen, die bereits vom Phydus zerstört wurden.
Ich betrachte das kleine braune Buch, das mit dem Video in dem Kasten des Seuchenältesten war. In diesem Buch steht die Formel für das Gegenmittel. Vielleicht besteht die Möglichkeit …
»Entweder ihr oder wir«, sagt Chris, und seine Stimme ist jetzt ganz hoch.
»Nur, weil ihr das so entschieden habt.«
»Colonel Martin hat immer wieder beteuert, dass er die Waffe einsetzen will, sobald es möglich ist. Sie wird
immer
eine Bedrohung sein, über die er die Kontrolle hat. Und wenn die FRX hier ist – und sie
kommen
, dafür hat Colonel Martin gesorgt –, werden sie jeden von uns töten, den sie aufspüren können. Es geht hier ums
Überleben
. Dies ist
unsere
Heimat und ihr seid die Eindringlinge.« Er betont die Worte, als wären es Waffen, jede Silbe eine weitere Stichwunde, jede Kunstpause ein Hieb.
»Nicht –«, fleht Amy, und zum ersten Mal höre ich Todesangst in ihrer Stimme. »Bitte nicht.«
Und mir wird klar, dass sie um ihr Leben fleht.
Ich schalte mein Mikro ein. » WARTE !«, brülle ich hinein.
[zurück]
65 Amy
Chris schaut von mir zum Funkgerät und wieder zurück zu mir. Er hat die Kom-Verbindung ganz vergessen und nicht gemerkt, dass ich sie offengelassen habe.
Er hält sein Gewehr auf mich gerichtet.
»Wenn du Amy tötest«, meldet sich Junior über Funk, und seine Stimme klingt eisig, »dann töte ich
dich
. Ich fliege das Shuttle zur Raumstation, zünde die Biowaffe, und du und all deine Leute werden sterben.«
Chris denkt nicht daran, die Waffe zu senken.
»Aber wenn du sie am Leben lässt«, fährt Junior fort, »werde ich das Shuttle landen. Wir haben mehr entdeckt als das Video vom Seuchenältesten. Wir haben auch die Formel für das Gegenmittel gefunden, das die Wirkung von Phydus aufhebt.«
»Ein … Heilmittel?«, stößt Chris aus. Jetzt endlich lässt er das Gewehr sinken. »Du kannst die Hybriden heilen?«
Die Tür des Kommunikationszentrums wird aufgerissen und mein Vater stürmt herein. »Du Bastard!«, brüllt er, wirft sich auf Chris und stößt ihn zu Boden. Sein Gewehr schlittert davon. Chris schüttelt Dad ab und hechtet auf die Waffe zu.
»Amy! Was geht da vor?«, ruft Junior ins Funkgerät.
Ich reiße meine Achtunddreißiger aus dem Holster, ziele auf den Boden neben das Gewehr und drücke ab. Die Kugel bohrt sich in den Beton und Chris erstarrt. Er dreht sich zu mir um und muss feststellen, dass ich meine Pistole genau auf seine Brust richte. Dad springt auf und schnappt sich sein Gewehr.
»Wir haben Chris«, berichte ich Junior.
»Bist du okay?«
»Mir geht’s gut.«
Dad setzt sich vor die Kom-Einheit. »Nur, damit du es weißt«, sagt er über die Schulter zu Chris, »ich habe dir nie getraut.«
Ich bin nicht sicher, ob das stimmt – ich glaube, dass Dad Chris vertraut hat, und zwar sehr. Nicht von Anfang an – am ersten Tag hatte Chris
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