Godspeed | Die Ankunft
bereite hier alles vor«, sage ich. Das Auto-Shuttle ist speziell für den Transport von Personen und Fracht gebaut worden, aber ich will dafür sorgen, dass alles so sorgfältig gepackt wird wie möglich. Ich will nicht noch mehr Blut an den Händen haben.
Als ich mich zum Gehen wende, fällt mir auf, dass die Videoaufzeichnung, die ich Amy geschickt habe, beendet ist. Ich stoppe den Recorder – wieso hat Amy nichts gesagt, nachdem sie die Aufnahmen gesehen hat?
Ich öffne die Kom-Verbindung. Amys Stimme ist deutlich zu hören. »Was soll die Waffe?«, fragt sie, und ihre Stimme kommt etwas knisternd bei mir an.
Ich erstarre.
»Du hast es begriffen, stimmt’s? Du hast es im Video gesehen. Und gemerkt, dass ihre Augen genauso aussehen wie meine.« Chris stößt die Worte grob aus und er klingt verzweifelt. »Bisher wolltest du es ja nicht wahrhaben«, fährt er fort. »Du und dein Vater – ihr wolltet beide nicht sehen, was ihr direkt vor der Nase hattet.«
»Eine ovale Iris«, sagt Amy und verstummt wieder. »Ich habe gesehen, dass deine Augen anders aussehen, aber nicht, dass sie …«
»Dass sie nicht
normal
sind?«, faucht Chris gereizt.
Ich versuche, mich an Chris’ Augen zu erinnern. Ich habe sie mir nie so genau angesehen und wenn ich es getan habe, hat mich viel mehr gestört, wie er Amy damit angestarrt hat. Er hat eine ovale Iris? Genau wie … wie das Mädchen im Film, dem sie dieses genverändernde Zeug gespritzt haben?
»Wie kann das sein?«, fragt Amy, und ich kann ihr anhören, dass sie Angst hat. Ich stelle mir Chris vor, wie er eine Waffe auf sie richtet. »Du … du bist doch Soldat in unserer Armee«, stammelt sie. »Du warst einer von den eingefrorenen Leuten …« Sie verstummt unsicher.
Ich versuche, mich an die Liste des Militärpersonals zu erinnern, die Orion mir gegeben hat. Da waren so viele Namen – aber gab es da auch einen Chris?
Nein … das erinnere ich nicht.
Wieso bin ich nicht längst darauf gekommen? Orion hat mich doch gelehrt, alles infrage zu stellen.
Chris scheint in dieselbe Richtung zu denken. »Das war ganz einfach«, sagt er. »Dein Vater hat das Shuttle verlassen, um nach der Sonde zu suchen, weißt du noch? Er ist mit neun Leuten losgezogen und mit zehn zurückgekommen. Mit
mir
.« Er spricht mit einem triumphierend-spöttischen Unterton, und es scheint ihm richtig zu gefallen, Amys Vertrauen mit Füßen zu treten. »Ich bin ein Abkömmling der ursprünglichen Kolonie, die ihr
Menschen
« – dieses Wort spuckt er förmlich aus – »unbedingt genetisch verändern musstet.«
Ich balle so krampfhaft die Fäuste, dass sich meine Nägel in die Handflächen krallen. Ich würde alles dafür geben, jetzt nicht meilenweit über der Zentauri-Erde zu sein, im All festzusitzen und ihr nicht helfen zu können.
»Aber … das Phydus …«
»Das ist alles, was dir dazu einfällt, Amy? Ich hätte mehr von dir erwartet. Aber nein, wie du siehst, gehöre ich zu den wenigen, die nicht von dem beeinflusst werden, was du Phydus nennst.«
»Wie ist das möglich?«
»Gendefekt. Das Zeug, das sie meinen Leuten verabreicht haben, bewirkt eine genetische Veränderung der Hypophyse und der Nebennieren. Statt der normalen ›Kampf oder Flucht‹-Reaktion sind meine Leute auf ›Gehorchen und Dienen‹ programmiert. Mein Glück ist, dass meine Nebennieren mehr Adrenalin produzieren als die der anderen. Nach ein paar Generationen kam es bei den Nachkommen der willenlosen, phydus-kontrollierten Freaks zu Mutationen.«
»Gibt es noch andere wie dich?«, fragt Amy. »Ich meine, andere, die nicht von Phydus beeinflusst werden?« Sie spricht sehr ruhig, geradezu unnatürlich ruhig. Ich kann mir gut vorstellen, welche Überwindung sie das kostet. Ich muss dabei an die Blitze in diesem Gewitter denken – der Donner war laut und furchterregend, aber es waren die lautlosen Blitze, die den dunklen Himmel zerrissen haben.
Ich warte darauf, dass ihr Blitz einschlägt.
»Dutzende«, sagt Chris, und obwohl er so weit weg ist, höre ich die Selbstgefälligkeit in seiner Stimme. »Alle, die noch nicht von der FRX aufgespürt und getötet wurden. Du hast heute Abend schon ein paar von uns kennengelernt. Sie nennen uns Immun-Mutanten, weil wir genetisch mutiert sind, sie uns aber nicht kontrollieren können, weil wir gegen Phydus immun sind. Sie versuchen seit Jahren, uns umzubringen.«
»Warum?« Amy spricht nur einzelne Worte. Ich befürchte, dass sie gefangen sein könnte,
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