Godspeed | Die Ankunft
dass er immer noch vor der Phyduspumpe steht – mit gerunzelter Stirn, als wäre sie ein ungelöstes Puzzle.
»Wir gehen!«, rufe ich, und er folgt mir nach draußen. Meine Aufregung bringt ihn zum Grinsen, und mir fällt natürlich auf, wie er beim Lächeln die Nase kraus zieht, was seine unglaublich blauen Augen noch betont.
»Was ist?«, fragt Chris, und ich merke, dass ich ihn anstarre.
»Nichts«, beteuere ich und werde rot.
Mom steht auf der Brücke, hält die Hand zum Schutz vor den Sonnen über ihre Augen und beobachtet uns mit einem verstohlenen Lächeln. »Ich möchte so viele Proben wie möglich sammeln«, sagt sie. »Ich finde es faszinierend, dass so viele Pflanzen denen auf der Erde ähneln, und ich möchte Genanalysen vornehmen, um herauszufinden, wie ähnlich sie sich tatsächlich sind. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, irgendein Tier zu erwischen,
müssen
wir es unbedingt mitnehmen.« Ihre Augen funkeln; ich habe sie noch nie so aufgeregt erlebt. »Wir haben in der näheren Umgebung Fallen aufgestellt, und wie ihr wisst, suchen einige meiner Kollegen bereits nach Tierspuren, aber es wäre fantastisch, eines in seinem natürlichen Lebensraum zu sehen!«
Chris und ich folgen Mom die Rampe hinunter und in den Wald. Sie nimmt nicht den Pfad zu den Häusern, sondern geht in die entgegengesetzte Richtung in der Hoffnung, in den weniger belebten Gebieten auf Tiere zu treffen. Chris hat ein Gewehr mit einem Präzisionszielfernrohr über der Schulter hängen, und ich bemerke, dass er zudem nicht nur zwei Handfeuerwaffen dabeihat (eine am Gürtel, die andere in einem Schulterholster), sondern auch Granaten, Messer und eine Machete – zumindest ist das alles, was ich sehen kann.
»Amy!«, ruft Mom. Ich umrunde einen Baum, um zu ihr zu gelangen. Sie rupft etwas von dem purpurroten Fadenmoos von einem der Bäume, und ich reiche ihr eines der kleineren Probengläser aus dem Sack, den ich tragen darf. »Wir haben davon schon mehrere Proben – Dr. Card will versuchen, das Neurotoxin zu reproduzieren –, aber ich möchte zur genaueren Bestimmung ein paar Zellen extrahieren.«
»Das«, sage ich gelangweilt, »klingt ja wahnsinnig aufregend.«
Mom drückt mir das Glas in die Hand. »Wer weiß, was uns die DNA von diesen kleinen Kerlchen verraten wird?«
Ich betrachte die Pflanze. Ich weiß natürlich, dass sie Blüten hervorbringt, die fast so groß sind wie meine Handfläche, doch im Moment besteht sie nur aus ein paar purpurroten Fäden.
Mom arbeitet weiter und kratzt Moos, Flechten und Rinde in ihre Gläser. »Nur ein so kleiner Bereich und doch eine solche Vielfalt an Lebensformen!«, frohlockt sie.
Ich versuche, die Welt durch ihre Augen zu sehen, als wäre
jedes
Ding eine neue Entdeckung, doch dann erstarre ich.
Ein schreckliches, feuchtes und schmatzendes Geräusch dringt durch die Bäume.
Sofort springt Chris vor mich und hebt mit einer fließenden Bewegung sein Gewehr. Auch Mom ist stehen geblieben und ihr Blick huscht erst zu mir und dann zu Chris’ Waffe.
Ein lautes Knacken. Dann ein Kratzen wie auf trockenem Laub. Vor uns ist etwas und es ist
groß
.
Am liebsten würde ich wegrennen, aber Chris bewegt sich mit dem Gewehr im Anschlag lautlos vorwärts. Ich lege den klappernden Sack mit den Probengläsern so leise wie möglich auf den Boden. Mit schweißnassen Händen ziehe ich meine Achtunddreißiger. Ich gönne mir einen Moment, um ein Gefühl für sie zu bekommen, ihr Gewicht und ihre Schlagkraft. Dann fasse ich sie fester, mit beiden Händen, einen Finger am Abzug.
Mom schüttelt den Kopf, hört aber schnell wieder damit auf, denn vermutlich erkennt sie, wie sinnvoll es ist, dass Chris und ich bewaffnet sind. Sie folgt mir, als wir tiefer in den Wald eindringen. Chris schaut kurz zu uns zurück und signalisiert
Vorwärts
mit einem Wink seiner Augen.
Ein schlürfendes, reißendes Geräusch dringt durch den Wald.
Wir sind nicht mehr weit weg.
Rascheln. Eindeutig ein Tier.
Ich trete auf einen Zweig, der laut knackt, und plötzlich herrscht eine unnatürliche Stille. Das Tier, was immer es ist, hat uns gehört.
Chris schiebt einen Ast zur Seite.
Und dann sehen wir es.
Dr. Gupta – was von Dr. Gupta noch übrig ist – liegt auf dem Waldboden. Ein Ptero, viel kleiner als der, der Junior angegriffen hat, hält den Kopf schief und betrachtet uns, als wären wir eine Sehenswürdigkeit.
Dann beugt er seinen langen Hals und benutzt seine Sägezähne dazu, einen Brocken aus
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