Godspeed | Die Ankunft
die Wasserleitung verlegt. Sie hat in der Kolonie bereits eine einfache Pumpe aufgestellt, und nun müssen nur noch Rohre bis zum See verlegt werden, aus dem unser Trinkwasser kommt. Die Arbeit ist wesentlich einfacher und lässt mir Zeit zum Nachdenken. Mein Körper schleppt die Rohre heran und verbindet sie miteinander, während meine Gedanken auf Wanderschaft gehen und versuchen, die Geheimnisse der Zentauri-Erde zu lüften, von denen Colonel Martins Schweigen eines ist.
Schon bald ist der Vorrat an Rohren erschöpft. »Wir gehen hinunter und helfen den Männern, die die Rohre unten am See verlegen«, sage ich dem Ingenieur, der das Projekt beaufsichtigt.
Er runzelt die Stirn. »Colonel Martin hat gesagt, dass niemand zum See darf.«
Ich hebe eine Braue. »Die Soldaten sind doch schon dort.«
»Er meinte –«
Er meinte, dass niemand von meinen Leuten zum See hinuntergehen darf. Genauso, wie niemand von uns in den Tunnel durfte.
»Wenn wir alle mithelfen, sind wir bis zum Abendessen fertig«, sage ich.
Ein Soldat tritt vor, auf dessen Namensschild COLLINS eingestickt ist. »Niemand darf sich dem See nähern«, sagt er grob.
»Warum nicht?«, will ich wissen.
»Zu gefährlich«, sagt Collins und blockiert immer noch den Pfad zum See.
»Aber wir wären doch bei Ihren Leuten.«
»Zu gefährlich.«
Ich hebe die Hände, damit er aufhört, sich ständig zu wiederholen. »Das verstehe ich. Aber Sie haben da eine dicke, fette Waffe, und wenn wir am See sind, wird dort noch mindestens ein halbes Dutzend ebenso schwer bewaffneter Soldaten sein. Wir wären so gut geschützt wie das Shuttle.«
Wieder schüttelt Collins den Kopf. Mir fallen seine zusammengebissenen Zähne auf und auch, wie fest er seine Waffe hält. Er würde es zum Kampf kommen lassen. »Es ist verboten«, sagt er.
»Verboten?«, wiederhole ich und sehe ihn prüfend an.
»Ja.« Collins sieht tatsächlich ein bisschen nervös aus. Wie schön.
Ich senke die Stimme. »Wissen Sie, wer ich bin?«
»Das weiß ich, Sir. Und wenn Sie ein Problem haben, empfehle ich, dass Sie sich damit an Colonel Martin wenden.«
»Das werde ich«, fahre ich ihn an. Dann drehe ich mich zu meinen Leuten um und rufe: »Frühes Abendessen!«
Sie jubeln und machen sich auf den Rückweg zu den Häusern. Aber ich bleibe am Rand der Wiese stehen, die sich plötzlich in eine unsichtbare Grenze verwandelt hat, und mir geht ein Gedanke durch den Kopf.
Was versucht Colonel Martin zu verbergen?
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25 Amy
Ich brüte noch über
Der kleine Prinz
, als meine Mutter in das Gebäude stürmt, in dem ich mich versteckt habe. Hastig schlage ich das Buch zu, aber sie bemerkt es nicht einmal.
»Es ist Zeit!«, verkündet sie so aufgeregt wie die kleinen Kinder, die früher im Fernsehen immer allen mitteilen mussten, dass Weihnachten war.
»Zeit wofür?«, frage ich.
»Wissenschaft!«, sagt sie mit ihrer besten Nachrichtensprecher-Stimme. Damit bringt sie mich wie immer zum Lachen, und ich schiebe
Der kleine Prinz
unter den Schlafsack, den Mom und ich aus dem Shuttle geholt haben. Vielleicht hat Junior recht – ich kann nicht den ganzen Tag damit verschwenden, nach Hinweisen zu suchen, die womöglich gar nicht da sind, jedenfalls nicht in diesem frühen und entscheidenden Stadium unserer Kolonie.
Mom geht mit mir zum Shuttle, damit ich ihr bei ihrer Forschung helfe. Chris begleitet uns, zu unserem Schutz, aber zwischen dem Shuttle und den Häusern sind mittlerweile so viele Leute unterwegs, dass ich insgeheim finde, dass sich Chris irgendwo anders viel nützlicher machen könnte. Es sind schon länger keine Pteros mehr am Himmel aufgetaucht, und obwohl wir bereits ein paar andere Tiere gesehen haben – oder zumindest irgendetwas mit braunem Fell oder dunklen Federn, das durch den Wald huschte –, hat der Lärm der Arbeiter und die Tatsache, dass wir so viele sind, die Viecher erfolgreich vertrieben.
Außerdem habe ich immer noch die Achtunddreißiger, die Dad mir gegeben hat und die im Holster an meinem Gürtel steckt.
Mom plappert die ganze Zeit von der »Fülle an Spezies«, die es in der neuen Welt zu untersuchen gilt. Je mehr Mom davon redet, wie gern sie einen Ptero zum Sezieren hätte, desto mehr wünsche ich mir, mit Junior über Orions letzten Hinweis zu diskutieren.
Die Kryo-Kammer des Shuttles ist in ein Labor umgewandelt worden. Die Tische, auf denen bis vor Kurzem noch die gefrorenen Körper gelegen haben, sind jetzt mit wissenschaftlichen Apparaten
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