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Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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auf.
    Bartie.
    Er bleibt stehen und schaut hoch in den Metallhimmel. Der Kamerawinkel ist perfekt, um ihn genau zu beobachten. Er sieht besorgt und traurig aus, hat dunkle Ringe unter den Augen und eine frische Narbe auf der Wange. Er wirkt abgekämpft und seine Haare sind zerzaust. Seine Gitarre ist nirgendwo zu sehen. Mir die Anführerrolle streitig zu machen, ist Bartie nicht gut bekommen.
    »Was macht er da?«, fragt Amy, die den Blick nicht abwenden kann.
    Bartie sieht aus, als würde er zur Statue des Seuchenältesten sprechen. Ich weiß noch, wie oft ich stehen geblieben bin, um zu seinem verwitterten Gesicht aufzuschauen. Der Seuchenälteste breitet wohlwollend die Arme aus, und seine Gesichtszüge sind so undeutlich, dass ich mir immer einbilden konnte, mitfühlend von ihm betrachtet zu werden, wenn ich wieder einmal nicht wusste, wie ich der Anführer sein sollte, den meine Leute brauchten.
    Bartie greift in eine seiner Taschen. Im ersten Moment denke ich, dass er einen Floppy herausholt, aber was er in der Hand hält, ist kleiner als ein Floppy und auch dunkler. Es ist schwarz. Ein schwarzes Viereck.
    Ein schwarzes Medipflaster.
    Amy schnappt erschrocken nach Luft.
    Jetzt weiß ich, was Bartie denkt und wieso er zum Seuchenältesten gekommen ist.
    Das Schiff stirbt und er weiß es. Er überlegt, wie lange er noch warten soll, bevor er die schwarzen Medipflaster austeilt. Die Pflaster, die für einen schnellen Tod sorgen.

[zurück]
31 Amy
    Junior sagt kein Wort. Er stürmt von der Anlage und nimmt Kurs auf die Kolonie. Ich muss rennen, um mit ihm Schritt zu halten. »Junior, warte!«, rufe ich hinter ihm her. Er wird langsamer, bleibt aber nicht stehen.
    Sein Rücken ist starr, die Schultern angespannt. Als ich nach ihm greife, reißt er sich los. Ich packe seinen Ellbogen und wirble ihn mit einem kräftigen Ruck herum, weil ich will, dass er mich ansieht.
    »Wir können auch sie retten«, sage ich.
    Junior lacht verbittert auf. Erschrocken starren wir in den Wald und warten auf den Jagdschrei eines Pteros. Doch einen Augenblick später setzen die leisen Laute der Nacht wieder ein, die ich immer für selbstverständlich gehalten habe – das gedämpfte Zwitschern eines nachtaktiven Vogels, das nahezu unhörbare Rascheln kleiner Tiere, die auf dem Waldboden herumhuschen. Auch wenn wir bisher kaum Tiere gesehen haben, bedeutet das nicht, dass keine da sind.
    »Wir
können
sie retten«, wiederhole ich, diesmal leiser.
    »Wir können uns doch nicht einmal selbst retten.« Junior beißt die Zähne zusammen.
    »Wir haben Orions letztes Rätsel so gut wie gelöst«, widerspreche ich. »Und wir haben die Kommunikationseinheit auf der Anlage. Wir werden sie da oben nicht sterben lassen.«
    »Ist das so?«, knurrt Junior. »Und wie sollen wir die verdammten Monster überleben, die
hier unten
auf uns warten?«
    Mir bleibt fast das Herz stehen.
    »Da draußen ist etwas, Amy«, sagt Junior. Er schaut über meinen Kopf hinweg in den dunklen Wald. »Etwas, das die ersten Siedler umgebracht hat.«
    »Pteros …«
    »Sie haben diese biometrischen Schlösser nicht programmiert, um die Pteros draußen zu halten«, fährt Junior mich an. Er hat recht. Diese Schlösser waren für … etwas anderes. »Außerdem«, fügt er hinzu, wirft mir einen kurzen Blick zu und schaut dann weg. »Es gibt hier mehr als nur die Pteros.« Ich weiß, dass er an die merkwürdige Kristallschuppe denkt, die er im Tunnel gefunden hat, und das macht auch mir Angst. Auf diesem Planeten gibt es vieles, das wir nicht verstehen. Und vieles, das uns umbringen kann. »Erinnerst du dich an den Fußabdruck?«, fragt er.
    Ich nicke. Wie kann ich den Abdruck der drei Krallen vergessen, die ganz offensichtlich zum Zerfetzen von Opfern dienen?
    Junior spricht halblaut weiter, als hätte er Angst, belauscht zu werden. »Mir war so, als hätte ich im Wald etwas gesehen, kurz bevor ich angegriffen wurde. Vielleicht hat, was immer das war, den Ptero
auf mich gehetzt

    Mir huscht unwillkürlich ein Bild durch den Kopf: Ein glotzäugiger grüner Alien mit Klauenfüßen, der uns beobachtet und erst zuschlägt, wenn wir am verletzlichsten sind.
    Ich will so etwas nicht denken. Ich
darf
so etwas nicht denken. Dafür habe ich heute Nacht zu vieles erfahren. Ich wende mich von Junior ab und wir gehen wortlos zur Kolonie zurück und bleiben erst kurz vor meinem Haus am Rand der Siedlung stehen. Die Welt ist jetzt dunkel und still. Junior tritt näher an mich heran

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