Goebel, Joey
das Knie des jüngeren Polizisten auf den Boden presste.
»Verzeihen Sie, meine Herren, aber können wir meinen Namen raushalten, falls diese Geschichte in der Zeitung landet?«
»Bleiben Sie locker, Doc«, sagte der Ältere. »Sie sind nie hier gewesen.«
Blue Gene wand sich immer noch. »Bitte, lassen Sie mich nur mit meinem Bruder reden!«
»Was hat dieser Bruder von Ihnen denn vor?«, fragte der jüngere Polizist.
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.«
»Aha. Warum wollen Sie denn Ihren Bruder so dringend sprechen, Kumpel?«
»Weil er mein Bruder ist und weil er Schwierigkeiten in der Schule hat. Er ist gerade in die erste Klasse gekommen.«
Irgendwo tief im Hinterland von Dixon County, auf dem Grund eines mit braunem Gras bewachsenen Straßengrabens, hatte ein Mobiltelefon mit Unterbrechungen die ganze Nacht lang und bis in den Morgen hinein geklingelt.
Die Anrufe kamen aus dem Mapother’schen Anwesen, wo Henry in seinem Seidenpyjama hektisch auf und ab ging und spastische Schatten warf, die auf den Wänden seines Arbeitszimmers herumwirbelten.
Da John ein von Medikamenten herbeigeführtes Nickerchen hielt und Elizabeth auf ihrer Missionsreise war, musste sich Henry allein um dieses lange verdrängte Problem [427] kümmern. Und da war es, direkt vor seiner Nase, sechsundfünfzig Tage vor der Wahl.
Gegen acht Uhr früh, nachdem er es schon aufgegeben hatte und zu Bett gegangen war, erfuhr Henry endlich, wo Blue Gene war. Der Polizeichef, ein bierbäuchiges, altes Rauhbein, der sich nach Ansicht vieler schon vor Jahren hätte zur Ruhe setzen sollen, rief ihn persönlich an. Während Henry auf die Haftanstalt von Commonwealth County zuraste, dachte er daran, wie er Oral Haynes kennengelernt hatte, als der noch ein junger Polizist war, und wie diese Begegnung ihn fürs Leben geprägt hatte.
Henry war damals neunzehn gewesen, den Sommer über vom College nach Hause gekommen. Eines Tages bekam er einen Anruf seiner Mutter. Sie war in einen kleinen Autounfall verwickelt gewesen, und Henry sollte kommen und sie abholen. Als Officer Haynes eintraf, stieg er aus seinem Wagen und fragte sofort, was geschehen sei. Der andere Fahrer, ein Grizzlybär von einem Mann in einem Pick-up, gab umgehend seine Version der Ereignisse zum Besten. Dann fragte Haynes den Mann, wie schnell er gefahren sei. Offenbar zufrieden mit der Antwort des Mannes, fragte er Henrys Mom, wie schnell sie gefahren sei. Nach ihrer Antwort legte Haynes den Kopf schief und sah sie komisch an. Er fragte, ob sie genau wisse, dass sie nicht schneller gefahren sei. Henrys Mom, von dem Unfall aufgewühlt und mit Tränen in den Augen, hob in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände und sagte, eigentlich wisse sie nicht, wie schnell sie gefahren sei.
Damals sah es Henry nicht ähnlich, auf Konfrontationskurs zu gehen, doch als er mit rotem Gesicht und [428] verschwitzt dastand, musste er den Officer einfach fragen, warum der sofort die Antwort des Mannes akzeptiert, aber die seiner Mutter angezweifelt hatte. Haynes fragte Henry, wer er sei und ob er an diesem Unfall beteiligt sei. Dann befahl er Henry, sich in sein Auto zu setzen. Dorothy bat Henry, still zu sein und dem Beamten zu gehorchen.
Und Henry gehorchte. Er biss sich auf die Innenseite der Wange, bis sie blutete, und ging wieder zu seinem Wagen. Doch als er die Wagentür öffnete, fragte Oral Haynes Henry, bei wie vielen Verkehrsunfällen er in seinem Leben ermittelt habe. Henry wirbelte herum und fragte den Officer, wie viel Grips er in seinem Schädel habe. Plötzlich griff Haynes hinter sich nach den Handschellen. Er brachte Henry zum Einsatzwagen, stellte sich dicht vor ihn, Nase an Nase, und sagte, wenn er noch einen einzigen klugscheißerischen Kommentar abgäbe, käme er mit ins Gefängnis.
Dorothy flehte den Polizisten um Nachsicht an, sie sei die Witwe von J.H. Mapother und das sei sein Sohn, der sich noch nie so benommen habe. Er sei noch nie in Schwierigkeiten geraten. Er sei ein guter Junge, der in Harvard studiere.
Henry hörte seiner Mom zu, und während all die anderen Autos vorbeirasten, betrachtete er sein Spiegelbild in der Sonnenbrille des Polizisten, das ihn ebenfalls ansah. Sich selbst in dieser Sonnenbrille zu sehen bewirkte irgendwie, dass ihm schlecht wurde. Damals gelobte er an Ort und Stelle, dass er eines Tages dem Wohlfahrtsverband der Polizei von Bashford einen Scheck spenden würde, der höher dotiert war als alles, was sein Vater je ausgestellt
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