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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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gemacht hatten.
    John selbst sah sich nicht die Flugzeuge an; er beobachtete Arthurs fasziniertes Gesicht, wenn ein Flieger abhob. Er betete zu Gott im Himmel, dass dieses Kind nie erwachsen würde.
    »Arthur, ich muss dich mal was fragen. Ich will es nicht, aber ich muss.«
    »Was denn?« Arthur nahm Riesenschlucke aus einer großen Sprite, die er mit beiden Händen festhielt. John nahm ihm den Becher ab und stellte ihn auf den Boden.
    »Weißt du, woher die Babys kommen?«
    Arthur wandte den Blick von dem Panoramafenster und sah seinem Vater in die Augen. »Störche?«
    »Klar. Ja. Störche. Eigentlich steckt mehr dahinter, aber vermutlich lernst du das noch früh genug. Doch eins will ich dir verraten, nämlich was mein Dad mir gesagt hat. Ich weiß, das klingt jetzt merkwürdig, aber ich sag’s einfach, und dann bin ich fertig damit.« John räusperte sich und sah sich um, ob ihn jemand beobachtete. Dann zeigte er auf seinen Schritt. »Das Ding da ist fast wie eine Schusswaffe.«
    Arthur lachte. Er betrachtete seine Füße, die nicht schnell [485] genug wuchsen, wie er sich oft beklagte. Er war klein für sein Alter.
    »Ich weiß, das klingt komisch, aber ich meine es ernst. Weißt du noch, wie ich über die Waffen geredet habe, die wir zu Hause haben, wie gefährlich die sind?« Arthur nickte. »Und das da ist wie eine Waffe, weil es auch sehr gefährlich ist.«
    »Wegen Pipi?«
    »Das nicht. Da steckt mehr dahinter. Hör zu. Eine Schusswaffe ist sehr gefährlich, weil sie jemandem das Leben nehmen kann. Ein Penis –« Bei dem Wort kicherte Arthur. »Deine Männlichkeit ist sehr gefährlich, weil sie jemandem das Leben geben kann. Verstehst du das überhaupt?«
    »Pipi gibt Leben?«
    »Nein.« John schaute zur Decke hoch und versuchte, seinen Hals zu dehnen, bis er knackte. »Was du dir unbedingt merken sollst: Du musst dieses Ding vorsichtig benutzen, genau wie eine Schusswaffe. Wenn du es nachlässig verwendest, schaffst du am Ende Leben, und das ist eine ernste Angelegenheit. Das ist eine ganz große Macht, die wir Männer haben.«
    Arthur nickte.
    »Sei also, solange du lebst, immer vorsichtig, wohin du deine Waffe abfeuerst. Es ist ein äußerst folgenreiches und mächtiges Ding. Klar?«
    Mehr als ein »Klar« zurück bekam er von Arthur nicht, doch das pausbäckige Kindergesicht wirkte so ernst und nachdenklich, dass John wusste, sein Sohn hatte die Wichtigkeit seiner Worte erfasst. Henry hatte an dem Tag, als das Ergebnis des Vaterschaftstests vorlag, John gegenüber [486] denselben Vergleich benutzt. John hatte ihn nie vergessen. Damals hatte er auf dem Boden seines Zimmers gesessen und die Basketball-Sammelbilder auf dem Teppich geordnet, als Henry eintrat und ihm mitteilte, er werde mit dreizehn Jahren Vater. Am liebsten hätte er geweint, unterdrückte den Drang aber, und sobald Henry mit seiner Schusswaffenrede begonnen hatte, war an Tränen ohnehin nicht mehr zu denken gewesen. John hatte die Schusswaffenrede immer für eine wirksame Analogie gehalten, doch sie hatte auch bewirkt, dass ihm eine Frage an seinen Vater blieb: Was war mit dessen Waffe?
    Doch diese Frage stellte ihm John nie, denn das hätte eine Verbindung gekappt, die zwischen ihm und seinem Vater entstanden war. So lange sie lebten, würden sie immer wie zwei Kollegen sein, die wegen vergleichbarer Sünden ihre Ratenzahlungen abstotterten, der eine wegen seiner frühreifen Experimente mit einem gleichaltrigen Kind, der andere wegen seines fragwürdigen Hangs zu Hausmädchen. Jeder würde dem anderen den einen sein Leben ändernden Fehler nachsehen, weil jeder auf die Unterstützung des anderen gegenüber den beteiligten Frauen angewiesen war, die alles Recht der Welt hatten, sie ein Leben lang büßen zu lassen.
    Als Arthur sich wieder den Flugzeugen zuwandte, bereute John bereits, dass er die Waffenrede seines Vaters wiederholt hatte. Erstens gehörte so etwas nicht in den Schädel eines Fünfjährigen. Und zweitens (und wichtiger), was, wenn sie dazu führte, dass Arthur Fragen stellte? John zuckte bei der Vorstellung zusammen, Arthur könnte erfahren, was er als Dreizehnjähriger getan hatte. Dabei hatte er seine Rede gerade in der Hoffnung gehalten, dass wenigstens dieser Sohn nicht die Sünden seines Vaters wiederholte.
    [487] John merkte, dass er am Haaransatz schwitzte. Er betete, Arthur möge es nie erfahren, Blue Gene es nie jemandem verraten und die Öffentlichkeit nie Wind davon bekommen, denn sonst würden es die Kids in

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