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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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einberufenen Sitzungen nicht teilnehme), denn da war er ja, wie frisch einem Hochglanzmagazin entstiegen, und er hatte sogar einen guten alten Kumpel dabei, der sich für ihn verbürgte.
    Gegen zwanzig Uhr dreißig tauchten, mit gezückten Notizblöcken und Kassettenrecordern, einige Journalisten auf. Auch die ersten Fernsehteams trafen ein, ebenso einige Fotografen, die herumstanden und gelangweilt guckten. Die Leute aßen ihre Nachspeisen auf und warteten, dass es dunkel wurde, damit das Feuerwerk beginnen konnte, das – neben dem Gratisessen – für viele der Hauptgrund gewesen war herzukommen.
    John Henry Mapother der Vierte hatte das Charisma eines Briefbeschwerers. Was ihm durchaus bewusst war; deshalb war auch 1968 sein Versuch gescheitert, sich in das Repräsentantenhaus der USA wählen zu lassen. Man sagte ihm, er sei einfach nicht so knuddelig wie sein Kontrahent, irgendein den aktuellen Jargon beherrschender Emporkömmling namens Lawrence Pendergraft, in Henrys Augen nichts weiter als ein Hippie in Maßanzügen. Auch wenn das schon mehr als dreißig Jahre her war, empfand Henry immer noch maßlose Verachtung für die Wähler, die solch ein verkommenes, gottloses Subjekt ihm vorgezogen hatten.
    Was Henry an Charisma fehlte, machte sein Reichtum mehr als wett. So wie der vierzehnte Verfassungszusatz Unternehmen zu juristischen, aber nicht greifbaren Personen machte, betrachtete Henry seinen Firmenbesitz als eine Art imaginäres Wesen, einen Bodyguard, der immer in der Nähe herumstand. Und Reichtum, der einen Menschen [169] zwangsläufig größer machte, konnte manchmal ein Rüpel sein, und da der ihm Tag und Nacht Rückendeckung gab, hatte Henry natürlich ein arrogantes Lächeln aufgesetzt, und was er sagte, klang möglicherweise automatisch herablassend. Sein Reichtum mochte zwar zu Lasten seines Charismas gehen. Doch weil dieser imaginäre Bodyguard, der Henry über die Schulter sah, mehr Persönlichkeit besaß als er, bearbeitete sein Reichtum den Saal, wenn Henry auf einer Veranstaltung wie dieser war. Und wenn Reichtum den Saal bearbeitete, brauchte er es nicht zu tun.
    Henrys Reichtum hatte für ihn das Reden übernommen, seit er im Ambassador Inn eingetroffen war, und dabei blieb es auch, als er sich von der Bar her John näherte. Alle Leute im Festsaal bemerkten ihn, und sie unterhielten sich darüber, wie groß sein Vermögen war, dass er in die richtigen Firmen investiert hatte, in wie vielen Aufsichtsräten er saß, dass er sogar Teilhaber in einer privaten Beteiligungsgesellschaft war und wie er aus dem regionalen väterlichen Unternehmen die heutige globale Tabak-Supermacht geschaffen hatte. Sie sprachen darüber, wie stark und gesund für sein Alter er aussah. Als er vorbeiging, bemerkten sie, wie straff die Haut über seinen Schädel gespannt war und wie seine kantigen Züge im Gesicht verwegene Winkel schufen. Alles in allem sah er irgendwie brutal aus. Brutal, aber würdevoll… und vor allem herrschaftlich.
    Als er sich einen Weg zu John bahnte, fiel Henrys Blick auf Blue Genes lange Haare, die er nicht ausstehen konnte. Er erschauerte bei dem Gedanken, dass sein eigen Fleisch und Blut eine Gestalt annehmen konnte, die mit einer derart abgeschmackten Frisur verbunden war. Haare fielen ihm [170] bei einem Menschen als Erstes auf. Er achtete darauf, dass seine eigenen immer gut frisiert waren, vor allem im Nacken.
    Er wartete, bis John und Blue Gene einem letzten Paar die Hände geschüttelt hatten, dann zog er John beiseite. »Es ist Zeit.«
    »Mir bleiben noch fünf Minuten«, sagte John nach einem Blick auf seine Uhr.
    »Nein. Es ist Zeit.« Henry stellte seit neuestem seine Uhr immer fünf Minuten vor, wodurch er das Gefühl bekam, dem Rest der Welt ständig ein Stückchen voraus zu sein. »Hallo, Eugene.«
    »Hey, Dad.«
    »John muss jetzt hinter die Bühne. Komm schon, John.«
    »Was soll ich denn machen?«, fragte Blue Gene.
    »Ich weiß es nicht, aber mach dich nützlich«, sagte Henry.
    »Du kannst dich erst mal entspannen, Blue Gene«, sagte John. »Genieße einfach meine Rede.«
    Blue Genes Blick hieß so viel wie »Ganz wie du willst«. Henry und John begaben sich hinter die Bühne.
    »Wie war er?«, fragte Henry.
    »Er war toll. Er kann sehr gut mit Leuten umgehen.«
    »Er ist genauso einfach gestrickt wie sie.«
    »Vermutlich wird er am Ende des Abends einverstanden sein, in unserem Team mitzumachen.«
    »Ich dulde ihn nicht in unserem Team. Ich hab’s dir doch bereits

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