Goebel, Joey
einiges einfacher gewesen, wenn er nie Fahrrad fahren gelernt hätte und so aus seiner Wohngegend hinaus und in die Stadt gelangt wäre, die für ihn so viele Sünden bereithielt. Wäre es gesellschaftlich akzeptabel, würde John verhindern, dass Arthur Rad oder sogar Auto fahren lernte. Wäre nicht der Wahlkampf gewesen, würde John ihn zu Hause unterrichten. John erinnerte sich noch an seinen ersten Schultag, wie er gedacht hatte: »Und davon muss ich noch zwölf Jahre absitzen?« Wenn er könnte, würde er statt Arthurs zur Schule gehen.
Wenn John an Arthur dachte, an sein pausbäckiges Gesichtchen und die unschuldigen Dinge, die er so machte – wie beispielsweise im Kühlschrank sitzen und Käsescheiben essen oder wie er neulich abends in seiner Unterwäsche mit einer Schüssel Fritos-Mais-Chips auf dem Schoß eingeschlafen war –, wollte er nie auch nur einen einzigen Tag von ihm getrennt sein. Doch so viele dieser Menschen empfanden das genaue Gegenteil, was ihre Kinder anging: Für sie waren Kinder eine nervige Belastung, die glücklicherweise mit achtzehn wieder verschwand. Wie rasch und unauffällig er begonnen hatte, der Tod der Familie. Und Menschen wie die junge Ripplemeyer machten genau das möglich. Menschen, die ihre Fäuste gegen jede Ungerechtigkeit erhoben, während sie ihre eigenen Familien zerbrechen ließen. Das kam dabei heraus, wenn die Welt nicht länger von Werten zusammengehalten wurde – die häuslichen Mauern fielen zuerst.
Johns Dad hatte ihn immer gewarnt, das größte Hindernis zwischen den Mapothers und der Umsetzung ihrer [289] Träume würde nie der andere Name auf dem Wahlzettel sein, sondern diese selbstgerechte Kultur von Menschen mit einem deformierten Gefühl von Freiheit, die die Legitimation unmoralischer Lebensstile mit Freiheit verwechselten, die irrationalerweise schworen, ihre Leben würden von mikroskopisch klein Gedrucktem auf eben den Dokumenten kontrolliert, die ihnen ihre Eskapaden erst gestatteten. Mit diesen Leuten könne man unmöglich vernünftig reden, machte Henry John klar, denn selbst wenn man ihnen genau sagte, was man wirklich erreichen wolle – das vollkommene Gute –, fänden sie immer irgendwo ein Haar in der Suppe. Man könnte ihnen erzählen, man widme sein ganzes Leben nur dem einen Ziel, nämlich das Paradies auf die Erde zu holen, als lege man eine warme, schützende Decke um ein zitterndes Waisenkind; dennoch würden sie hinter diesem Vorhaben nur »Habgier« und »Korruption« wittern. John akzeptierte, dass seine Worte für abtrünnige Heiden wie diese Ripplemeyer nie so leuchten würden wie für die anderen Schläfer, doch selbst die Ripplemeyers würden ihr Land lieben, wenn es erst einmal in Brand stand. John lächelte in Richtung Himmel.
Als Blue Gene und Jackie wieder in Jackies Straße einbogen, hielt er die Zeit für gekommen, in die Offensive zu gehen.
»Ich besitze übrigens WrestleMania VI «, sagte er. »Da uns beiden das Video so gut gefällt – würdest du es vielleicht mal mit mir zusammen ansehen? Noch mal sehen, wie Hogan die Fackel an den Ultimate Warrior weitergibt?«
»Das wurde nur gemacht, damit Hogan mit Wrestling aufhören und in Suburban Commando mitspielen konnte.«
[290] »Du machst alles kaputt. Würdest du ihn dir irgendwann mal zusammen mit mir ansehen?«
»Warum nicht.« Echte Begeisterung sah anders aus.
»Wann hättest du denn Zeit?«
»Keine Ahnung.«
»Auch gut. Vergiss es.«
»Ich meine, ich weiß nicht, ob ich dich gut genug kenne.«
»Es ist ja keine Verabredung, wenn du das meinst.«
»Nein, das hab ich nicht gemeint. Bloß, irgendwie bist du für mich noch ein Fremder.«
Blue Gene wischte sich Schweiß von seinem Schnauzbart. »Na ja, du könntest mir ja ein paar Fragen stellen, um mich näher kennenzulernen. Oder vielleicht willst du mich einfach nicht kennenlernen. Mir auch egal.«
»Nein. Ich hab ein paar Fragen an dich.«
»Raus damit.«
»Na gut. Was ich mich schon immer gefragt habe – und vielleicht habe ich nie wieder die Gelegenheit, es jemanden zu fragen: Wissen Leute mit Vokuhilas, dass man ihre Frisuren Vokuhilas nennt?«
»Klar.«
»Aber gilt das nicht nur für dich? Denn du bist eindeutig kein typischer Vokuhila-Träger. Verwenden andere Typen mit Vokuhilas, die du kennst, das Wort?«
»Weiß ich nicht. Ich sitze nicht rum und rede mit anderen Typen über ihre Frisuren.«
»Wie hast du dann herausgefunden, dass deine Vokuhila heißt?«
»Vor langer Zeit auf der
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