Goebel, Joey
dem Klinkenputzen seiner Mitarbeiter verdankte, die im gesamten Bezirk an praktisch jede Tür geklopft hatten.
Das einzige Problem bestand darin, dass politische Demonstrationen auf dem Betriebsgelände gegen Wal-Marts Firmengrundsätze verstießen. Doch diese spezielle Wal-Mart-Geschäftsleitung ließ John ein wenig Spielraum, weil die Mapothers den örtlichen Wohlfahrtsstiftungen von Wal-Mart erst kürzlich einige großzügige Spenden hatten [310] zukommen lassen und weil der Geschäftsführer im Wal-Mart von Bashford einmal mit Blue Gene zusammengearbeitet hatte. Er hatte nie vergessen, wie geduldig Blue Gene damals mit ihm gewesen war, als er bei Wal-Mart zu arbeiten begann, indem er über jeden Fehler mit einem Scherz hinweggegangen war. Der Wal-Mart-Geschäftsführer ließ Johns Wahlkampfleiter wissen, für Blue Gene Mapother würde er alles tun und sogar darauf verzichten, die Wal-Mart-Zentrale in Arkansas um eine entsprechende Genehmigung zu bitten. Deshalb durfte ausnahmsweise dieses eine Mal vor dem Wal-Mart Wahlkampf betrieben werden, sofern der Kandidat erkennen ließ, dass er damit auch etwas zum Wohl der Gemeinde tun wolle.
Die Chance, die belebteste Ecke der Stadt ein Wochenende lang nutzen zu dürfen, ließ sich Blue Gene natürlich nicht entgehen, und gelegentlich verkaufte er sogar ein wenig Gebäck, was dem örtlichen Sterbehospiz zugute kam. Überall lagen Flugblätter deutlich sichtbar zwischen den Macadamiakeksen mit weißer Schokolade, den Petits Fours und Brownies, die Elizabeth gebacken hatte, und alle, die sich dem Tisch bis auf anderthalb Meter oder weniger näherten, bekamen eine Wahlempfehlung für den November zu hören, für den Fall, dass sie das Plakat übersehen hatten.
Das ganze Wochenende über stand Blue Gene in der Hitze – sogar im September lagen die Temperaturen bei dreißig Grad und höher – vor dieser gewaltigen, hellgrau und dunkelblau gestrichenen Hochburg des Kommerzes mit ihrem Wahlspruch, der groß auf der Fassade stand: Always, Immer. Blue Gene verbrachte den halben Tag vor der Kaufhausseite und die andere Hälfte vor der Supermarktseite. Vor [311] beiden Eingängen herrschte für eine so relativ kleine Stadt ein beträchtlicher Menschenandrang. Zur Hauptgeschäftszeit war es so, als hätte man die ehemals brechend vollen Bürgersteige der Main Street vor dem Wal-Mart ausgekippt.
Wenn in einer amerikanischen Kleinstadt ein Mensch einem beliebigen anderen Menschen begegnen wollte, müsste er nur in den Wal-Mart gehen. Egal, wen man sucht, der andere taucht unweigerlich dort auf. Daher war es kein Wunder, dass Blue Gene an diesem langen Wochenende, als er täglich von neun bis siebzehn Uhr draußen vor dem Wal-Mart stand, die meisten der Menschen sah, mit denen er aufgewachsen war.
Mitchell Gibson, der früher mit Blue Gene ganze Samstagnachmittage lang begeistert Nintendo gespielt und Nickelodeon gesehen hatte, tauchte am Samstag gegen Mittag am Wal-Mart auf. Sie konnten einander nicht verfehlen, Blue Gene in seinem MAPOTHER-IN-DEN-KONGRESS -Muskelshirt und Mitchell in seinem orangefarbenen Polohemd.
»Hey, Gibson«, sagte Blue Gene auf seine typische unwirsche Art.
»Hey, Blue Gene.« Blue Gene entging der scharfe Unterton nicht. Mitchell ging weiter.
»Warte doch, Mann.« Mitchell kam zögernd zu Blue Genes Tisch. Blue Gene zog seinen Mützenschirm bis fast über die Augen. »Du sollst wissen, dass mir das mit dem Typen im Ambassador Inn echt leid tut.«
»Warum hast du mir nicht beigestanden?«, fragte Mitchell mit einer Stimme, bei der Blue Gene an Pfennigabsätze und Hauskatzen denken musste.
[312] »Ich wollte ja, aber ich war an diesem Abend für John da, und ich hab ihm versprochen, keinen Ärger zu machen, und ich wollte halt nicht in euren Streit verwickelt werden.«
»Du hast mir immer beigestanden, als wir klein waren.«
»Da waren wir Kinder«, sagte Blue Gene. »Menschen ändern sich. Sieh dich doch an.«
»Was meinst du damit? Dass ich schwul bin?«
»Ja.«
»Ich war schon immer schwul, Blue Gene.«
»Nääh.«
»Müsste ich das nicht wissen ?«
»Ist ja auch egal. Was immer deine Eier zum Pochen bringt.«
Mitchell lachte. »Du hast mich schon immer zum Lachen gebracht.«
»Komm mir nicht mit dem Gefühlsscheiß.«
»Du bist grässlich. « Mitchell warf den Kopf in den Nacken und ging weg.
»Hey, Alter«, sagte Blue Gene, nahm die Sonnenbrille von seinem Mützenschirm und setzte sie auf. »Der Typ im Ambassador Inn… er hat dich
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