Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
Vom Netzwerk:
doch nicht zu übel zugerichtet, oder?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Sieh mal, was passiert ist, hat mir nicht gefallen, Mann. Der Zeitpunkt war nur so schlecht. Als er sich mit dir angelegt hat, wollte meine Familie, dass ich mit ihr zusammen fotografiert werde, und dass meine Familie mich so mit einschließt, kommt selten genug vor, verstehst du?«
    »Aber ja. Als ob ich über so was nicht Bescheid wüsste.«
    [313] Blue Gene Mapother war ein missmutiges Kind gewesen, das während des Unterrichts immer den Kopf auf den Tisch legte, und wenn die Lehrer in ihren Freizeitpullovern ihn zur Rede stellten, sagte er, er habe Kopfschmerzen. Seine Arme schlangen sich um den Kopf, und er schloss die Augen, während aus seinem fruchtbaren Ohrenschmalz Tagträume sprossen und die läppischen Unterrichtsgeräusche dämpften. Mitchell hingegen war ein Musterschüler: ruhig, gewissenhaft und für sein Alter ungewöhnlich ernst. Die meisten anderen Schüler konnten ihn nicht ausstehen. In der ersten Woche der ersten Klasse hackte ein Junge so unbarmherzig auf Mitchell herum, dass Blue Gene es nicht mehr ignorieren konnte. Als er merkte, dass die Lehrer nichts dagegen unternahmen, übernahm er es eines Tages in der Pause selbst, den Quälgeist zu Boden zu werfen und dessen Ellbogen über den Asphalt zu reiben. Danach wich Mitchell nicht mehr von Blue Genes Seite, und schon waren sie beste Freunde.
    Irgendwann endete die Grundschule, und als die Junior Highschool begann, mussten Blue Gene und Mitchell damit aufhören, sich hinter ihren Saint-Katherine-Schuluniformen zu verstecken, und sich auf den kunterbunten Haufen pubertierender Jugendlicher an der East Junior High einstellen. Bald wurde klar, dass ihre Freundschaft den Veränderungen nicht standhalten würde, die zahlreiche neue Sozialkontakte in einem schwachen, verängstigten Zwölfjährigen auslösten. Statt sich mit dem freakigeren, kunstbeflissenen, Kurt Cobain verehrenden Mitchell abzugeben, nistete sich Blue Gene im Umfeld der schulischen Schickeria ein, einem wüsten Haufen gutgekleideter jüngerer Kids aus besserem Haus, [314] von denen er einige aus dem Basketballtraining kannte. Blue Genes Aufnahme in die Reihen der gesellschaftlichen Elite der siebten Klasse geschah ganz selbstverständlich; man akzeptierte ihn aufgrund seines Nachnamens, seines Humors und seines Äußeren, das – worauf er damals Wert legte – ausgesprochen elegant war.
    In grauer Vorzeit hatte Blue Gene eine völlig andere Frisur gehabt. Damals thronte sie gehorsam auf seiner Kopfhaut und dachte nicht im Traum daran, sich in seinen Nacken zu ergießen. Als Jugendlicher trug er fast die ganze Zeit den sogenannten Cäsarschnitt: die Haare überall kurz, glatt nach vorn gekämmt und gegelt, damit sein Kopf oben glänzte.
    Währenddessen wechselten Mitchells Haare anscheinend wöchentlich Farbe und Schnitt. In der achten Klasse hatte sich ihre Freundschaft auf ein kurzes »Wie geht’s?« im Schulflur reduziert. Als sie auf die Commonwealth County Highschool wechselten, war Mitchell Gibson nur noch ein Name von vielen im Jahrbuch für Blue Gene, der inzwischen durch sein ganzes Verhalten erkennen ließ, dass er sich für Gottes Geschenk an dieser Schule hielt, der es deshalb verdiente, ständig etwas dafür zurückzubekommen. Weil er ständig bereit war, von der Welt zu nehmen, war Blue Gene auch immer lässig und locker, wie ein Sonnenbadender, der darauf wartet, geröstet zu werden. Im Unterricht ließ er sich cool auf seinen Platz gleiten, und seine langen Beine ragten, wohin sie wollten. Häufig legte er ein Bein auf den vor ihm stehenden Tisch und pochte – zum Ärger des Schülers, hinter dem er saß – mit seinem braunen Timberland-Stiefel auf dessen Bücherstapel. Sein anderes Bein lag lässig in der [315] Mitte des Ganges, und von seinen Klassenkameraden erwartete er, dass sie über das statische Körperteil hinwegstiegen. Beim Gähnen dehnte er sich weit nach hinten, so dass er fast das Gesicht seines Hintermannes berührte. Lehrer erregten nur selten seine Aufmerksamkeit, da er meist schlief, Kaugummiblasen platzen ließ oder andere mit irgendetwas bewarf. Nach dem Unterricht durchschritt er die Flure, als wären sie sein Eigentum. Das alles machte er trotz der Tatsache, dass sich seine wirkliche gesellschaftliche Stellung am unteren Ende der obersten Schicht beliebter Schüler aus gutem Haus befand (oder am oberen Ende der unteren Schicht), weil er – um die Wahrheit zu sagen – nicht

Weitere Kostenlose Bücher