Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
theoretisch bestünde die Schwierigkeit weiter. Ein Deutschsprachiger hätte noch immer die „Deutschheit“ der Botschaft zu erkennen; sonst hat sie keinen Zweck. Man kann somit das Problem nicht umgehen, daß man herausfinden muß, wie die innere Botschaft von außen entziffert werden kann; die innere Botschaft selbst mag Hinweise und Bestätigungen liefern, aber das sind im besten Fall Auslöser, die auf den Finder der Flasche einwirken (oder auf die Leute, deren Hilfe er in Anspruch nimmt).
Problemen ähnlicher Art sieht sich der Kurzwellenhörer gegenüber. Zuerst muß er entscheiden, ob die Töne, die er vernimmt, tatsächlich eine Botschaft darstellen oder einfach atmosphärische Störungen sind. Die Töne als solche geben keine Auskunft, nicht einmal in dem unwahrscheinlichen Fall, daß die innere Bedeutung in der Sprache des Hörers formuliert ist und sagt: „Diese Töne stellen tatsächlich eine Botschaft dar und sind nicht einfach Geräusche!“ Wenn der Hörer eine Rahmenbotschaft in den Tönen wahrnimmt, dann versucht er festzustellen, in welcher Sprache die Sendung ist — und offensichtlich ist er noch immer „außen“; er nimmt vom Radio Auslöser entgegen, aber sie können ihm keine explizite Antwort geben.
Es liegt in der Natur der äußeren Botschaften, daß sie nicht in irgendeine explizite Sprache übermittelt werden können. Eine explizite Sprache zu finden, um die äußere Botschaft auszudrücken, wäre nicht ein Durchbruch — es wäre eine contradictio in adjecto! Das Verständnis der äußeren Botschaft ist immer die Aufgabe des Hörers. Ist er erfolgreich, so bricht er ins Innere durch, und an diesem Punkt verschiebt sich das Verhältnis von Auslösern und expliziten Bedeutungen drastisch zugunsten der letzteren. Verglichen mit der vorhergehenden Phase scheint das Verständnis der inneren Botschaft keine Mühe zu erfordern. Es ist, als würde es einfach hineingepumpt.
Die „Musikbox"-Theorie der Bedeutung
Diese Beispiele scheinen den Standpunkt zu beweisen, daß keine Botschaft eine ihr innewohnende Bedeutung hat, denn um eine Botschaft zu verstehen, so einfach sie auch sein mag, muß man zuerst ihre Rahmen- und ihre äußere Botschaft verstehen; beide werden nur von Auslösern getragen (etwa daß sie in japanischer Schrift verfaßt ist oder spiralförmige Rillen aufweist usw.). Es sieht also allmählich so aus, daß man um die „Musikbox“-Theorie der Bedeutung nicht herumkommt — der Satz, daß keine Botschaft inhärente Bedeutung besitzt, weil, bevor eine Botschaft verstanden werden kann, sie als Input irgendeiner „Musikbox“ verwendet werden muß, was bedeutet, daß die in der Musikbox enthaltene Information der Botschaft hinzugefügt werden muß, bevor diese Bedeutung annimmt.
Dieses Argument ist sehr ähnlich der Falle, in der in Lewis Carrolls Dialog Herr Schildkröte Achilles fing. Dort war die Falle die Idee, daß bevor man irgend eine Regel verwenden kann, man eine Regel haben muß, die einem sagt, wie diese Regel zu verwenden ist; in anderen Worten: Es besteht eine unendliche hierarchische Stufenfolge von Regeln, die verhindert, daß irgendeine Regel jemals verwendet wird. Hier ist die Falle die Idee, daß bevor man irgend eine Botschaft verstehen kann, eine Botschaft haben muß, die einem sagt, wie man diese Botschaft verstehen kann; in anderen Worten: Es besteht eine unendliche hierarchische Stufenfolge von Botschaften, die verhindert, daß irgendeine Botschaft jemals verstanden wird. Wir wissen aber alle, daß diese Paradoxien ungültig sind, denn Regeln werden tatsächlich angewandt, und Botschaften werden tatsächlich verstanden. Wie geht das zu?
Wider die Musikbox-Theorie
Das geschieht, weil unsere Intelligenz nicht körperlos ist, sondern einem physischen Objekt, nämlich unserem Gehirn, eingepflanzt ist. Seine Struktur verdankt es dem langen Prozeß der Evolution, und seine Operationen gehorchen den Gesetzen der Physik. Da es sich um ein physisches Objekt handelt, arbeitet unser Gehirn, ohne daß ihm gesagt wird, wie es zu arbeiten hat. Es ist aber auf der Stufe, auf der Gedanken durch physische Gesetze erzeugt werden, daß Carrolls Regel-Paradoxie zusammenbricht, und gleichermaßen bricht auf der Stufe, auf der das Gehirn die einströmenden Daten als Botschaften interpretiert, die Botschafts-Paradoxie zusammen. Das Gehirn ist anscheinend mit „Hardware“ ausgestattet, um gewisse Dinge als Botschaften zu erkennen und diese zu entschlüsseln. Diese
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