Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
erhalten.
Aus MUM können Sie MUMUM erhalten.
Aus MU können Sie MUU erhalten.
So steht also der Buchstabe „ x “ in der Regel für irgendeine Kette; wenn Sie aber einmal entschieden haben, für welche, müssen Sie bei Ihrer Entscheidung bleiben (bis Sie die Regel wieder anwenden. An diesem Punkt können Sie eine neue Wahl treffen). Beachten Sie das dritte Beispiel. Es zeigt, wie Sie, wenn Sie MU besitzen, eine weitere Kette in Ihre Sammlung aufnehmen können — aber zuerst müssen Sie MU haben! Zu dem Buchstaben „ x “ noch ein letzter Kommentar: Er gehört dem formalen System nicht in der gleichen Art und Weise an wie die drei Buchstaben „ M “, „ I “ und „ U “. Indessen ist es nützlich, eine Möglichkeit zu haben, allgemein, symbolisch über die Ketten des Systems sprechen zu können, und das ist die Funktion von „ x “: eine beliebige Kette zu repräsentieren. Wenn Sie jemals eine Kette, die ein „ x “ enthält, Ihrer „Sammlung“ einverleiben, haben Sie etwas falsch gemacht, denn Ketten des MIU-Systems enthalten niemals „x“!
Die dritte Regel:
R EGEL III: Wenn in einer der Ketten Ihrer Sammlung III vorkommt, können Sie eine neue Kette mit U anstelle von III bilden.
Beispiele:
Aus UMIIIMU können Sie UMUMU machen.
Aus MIIII können Sie MIU (oder auch MUI ) machen.
Bei IIMII kommen Sie mit dieser Regel nicht weiter. (Die drei I müssen aufeinander folgen.)
Aus MIII ergibt sich MU .
Unter keinen Umständen dürfen Sie annehmen, daß Sie diese Regel auch rückläufig verwenden können wie im folgenden Beispiel:
Aus MU mache MIII .Das ist falsch.
Regeln sind Einbahnstraßen. Hier die letzte Regel:
R EGEL IV: Wenn UU in einer Ihrer Ketten vorkommt, kann man es streichen.
Aus UUU ergibt sich U .
Aus MUUUIII ergibt sich MUIII .
Das wär's. Nun können Sie beginnen, zu versuchen, MU zu erzeugen. Es macht nichts, wenn es Ihnen nicht gelingt. Versuchen Sie es ein bißchen — die Hauptsache ist, daß Sie auf den Geschmack dieses MU-Rätsels kommen. Viel Vergnügen.
Sätze, Axiome, Regeln
Die Lösung des MU-Rätsels geben wir später in diesem Buch. Wichtig ist im Augenblick nicht die Lösung, sondern die Suche nach ihr. Sie haben wahrscheinlich ein paar Versuche gemacht, MU zu erzeugen. Dabei haben Sie Ihre eigene Sammlung von Ketten aufgebaut. Solche durch die Regeln herstellbare Ketten nennt man S ÄTZE . Der Ausdruck „Satz“ hat natürlich im mathematischen Sprachgebrauch eine Bedeutung, die ganz anders ist als die unsrige. Er bedeutet eine Aussage in gewöhnlicher Sprache, die durch rigorose Beweisführung als wahr erkannt worden ist, wie Zenos Satz von der „Unexistenz“ der Bewegung oder Euklids Satz von der Unendlichkeit der Primzahlen. In einem formalen System aber braucht man S ÄTZE nicht als Aussagen zu betrachten sie sind lediglich Symbolketten. Und sie werden nicht bewiesen, sondern einfach wie von einer Maschine nach gewissen typographischen Regeln erzeugt. Um diese wichtige Unterscheidung in der Bedeutung des Wortes „Satz“ zu betonen, gehe ich in diesem Buch wie folgt vor: wenn „Satz“ in normalen Buchstaben wiedergegeben wird, hat das Wort seine alltägliche Bedeutung — ein Satz ist eine Aussage in der gewöhnlichen Sprache, die jemand einmal durch logische Argumentation als wahr bewiesen hat. Wenn in Großbuchstaben, soll „S ATZ “ seine technische Bedeutung haben: eine in einem formalen System erzeugbare Kette. Das MU-Puzzle stellt die Frage, ob MU ein S ATZ des MIU-Systems ist.
Ich gab Ihnen einen S ATZ zu Beginn vor, nämlich MI . Ein solcher S ATZ , den man „umsonst“ erhält, heißt Axiom — und wiederum ist die technische Bedeutung von der gängigen völlig verschieden. Ein formales System kann kein, ein, mehrere, ja sogar unendlich viele Axiome besitzen. Beispiele für alle diese Typen werden wir in diesem Buch finden.
Jedes formale System hat Regeln für das Rangieren von Symbolen wie etwa die vier Regeln des MIU-Systems. Diese Regeln nennt man entweder Erzeugungs-Regeln oder Schluß-Regeln. Ich werde beide Ausdrücke benützen.
Der letzte Begriff, den ich hier einführen will, ist der der Ableitung. Ich gebe hier eine Ableitung des S ATZES MUIIU :
1)
MI
Axiom
2)
MII
aus 1) durch Regel II
3)
MIIII
aus 2) durch Regel II
4)
MIIIIU
aus 3) durch Regel I
5)
MUIU
aus 4) durch Regel III
6)
MUIUUIU
aus 5) durch Regel II
7)
MUIIU
aus 6) durch Regel IV
Einen S ATZ abzuleiten bedeutet, explizit schrittweise zu zeigen, wie man den S ATZ
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