Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Ich kann nicht ganz erkennen, wo, aber sie können nicht korrekt sein.
Zeno: Sie bezweifeln die Gültigkeit meiner Paradoxie? Warum versuchen Sie es nicht? Sehen Sie die rote Fahne da am andern Ende der Piste?
Achilles: Die Unmögliche Fahne, die auf einer Escher-Zeichnung beruht?
Zeno: Genau die. Wie wäre es, wenn Sie mit Herrn Schildkröte einen Wettlauf dorthin machten, wobei Herr S. einen fairen Vorsprung von — nun, ich weiß nicht ...
Schildkröte: Wie wäre es mit zehn Ruten?
Zeno: Gut, zehn Ruten.
Achilles: Jederzeit.
Zeno: Großartig! Wie aufregend! Ein empirischer Test meines rigoros bewiesenen Satzes! Herr S., wollen Sie sich zehn Ruten vor uns hinstellen? (Die Schildkröte geht zehn Ruten näher zur Fahne.) Sind Sie bereit?
Achilles und Schildkröte: Ja.
Zeno: Auf die Plätze! Fertig? Los!
KAPITEL I
Das MU-Rätsel
Formale Systeme
E INER DER Zentralbegriffe in diesem Buch ist der des formalen Systems. Die Art von formalen Systemen, die ich verwende, hat der amerikanische Logiker Emil Post in den Zwanzigerjahren erfunden. Sie wird oft als „Postsches Produktionssystem“ bezeichnet. Dieses Kapitel führt dem Leser ein formales System vor, und darüber hinaus hoffe ich, daß er dieses formale System zumindest ein bißchen zu erforschen wünscht; um seine Neugier zu reizen, habe ich ein kleines Rätsel entworfen.
Es lautet: „Können Sie MU erzeugen?“ Zunächst werde ich Ihnen eine Kette vorlegen, d. h. eine Kette von Zeichen*. Damit Sie nicht gleich ungeduldig werden: diese Kette ist MI . Dann geben wir Ihnen einige Regeln, mit denen Sie eine Kette in eine andere verwandeln können. Wenn zu einem gewissen Zeitpunkt eine dieser Regeln anwendbar ist und Sie sie verwenden möchten, können Sie das tun — aber es gibt keine Vorschrift, welche Regel Sie verwenden sollen, wenn mehrere anwendbar sind. Das können Sie entscheiden — und das ist natürlich der Punkt, an dem das Spielen mit dem formalen System so etwas wie eine Kunst werden kann. Die Hauptsache, die fast nicht erwähnt zu werden braucht, ist, daß Sie nichts tun dürfen, was die Regeln verletzt.
Wir können diese Einschränkung die „Formalitätsbedingung“ nennen. In diesem Kapitel bedarf das wahrscheinlich keiner Betonung. So seltsam es aber klingen mag — ich sage Ihnen voraus, daß Sie, wenn Sie mit einigen formalen Systemen in späteren Kapiteln spielen, feststellen werden, daß Sie die Formalitätsbedingung immer und immer wieder verletzen werden, wenn Sie nicht bereits früher mit formalen Systemen gearbeitet haben.
Bei unserem formalen System — dem MIU-System — ist als erstes zu sagen, daß es nur drei Buchstaben des Alphabets verwendet, nämlich M , I und U . Das bedeutet, daß die einzigen Ketten des MIU-Systems diejenigen sind, die sich aus diesen drei Buchstaben zusammensetzen. Nachstehend einige Ketten des MIU-Systems:
MU
UIM
MUUMUU
UIIUMIUUIMUIIUMIUUIMUIIU
* In diesem Buch halten wir uns an folgende Konventionen, wenn wir von Zeichenketten reden: wenn die Zeichenkette in der gleichen Schriftart ist wie der Text, wird sie in einfachen oder doppelten Anführungszeichen eingeschlossen. Interpunktionen, die zum Satz und nicht zur Kette gehören, stehen logischerweise außerhalb der Anführungszeichen. Z. B. ist der erste Buchstabe dieses Satzes „Z“, während der erste Buchstabe von „diesem Satz“ „d“ ist. Wenn die Kette in der Schriftart Syntax gesetzt ist, lassen wir die Anführungszeichen im allgemeinen weg, wenn sie nicht um der Klarheit willen nötig sind. Der erste Buchstabe von Syntax ist z. B. S .
Obgleich jedoch all das legitime Ketten sind, sind es nicht Ketten, die Sie „besitzen“. Die einzige Kette in Ihrem Besitz ist vorderhand MI . Nur wenn Sie die Regeln anwenden, die wir gleich angeben werden, können Sie Ihre private Sammlung erweitern. Hier die erste Regel:
R EGEL I: Wenn Sie eine Kette besitzen, deren letzter Buchstabe I ist, können Sie am Schluß ein U zufügen.
Wenn Sie es übrigens noch nicht erraten haben sollten, eine der Bedeutungen von „Kette“ ist die, daß die Buchstaben in einer feststehenden Ordnung sind. Zum Beispiel sind MI und IM zwei verschiedene Ketten. Eine Kette von Symbolen ist nicht einfach ein „Sack“ voller Symbole, bei dem die Ordnung keine Rolle spielt.
Hier die zweite Regel:
R EGEL II: Angenommen Sie haben M x . Dann können Sie Ihrer Sammlung M xx zufügen. Was ich damit meine, zeigen die folgenden Beispiele:
Aus MIU können Sie MIUIU
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