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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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vornherein klar macht, daß die Übersetzungen metaphorisch sind und nicht wörtlich genommen werden dürfen. Nachdem das einmal gesagt worden ist, sehe ich zwei Hauptmöglichkeiten in der Verwendung von Analogien, um Gödels Satz und das menschliche Denken miteinander zu verbinden. Eine davon ist das Problem, daß man sich nach seiner eigenen geistigen Gesundheit fragt. Wie können Sie herausfinden, ob Sie geistig gesund sind? Dies ist gewiß eine Seltsame Schleife. Hat man einmal damit begonnen, seine eigene Gesundheit in Frage zu stellen, kann man in die Falle eines immer enger werdenden Strudels sich selbst erfüllender Prophezeiungen geraten, wenn auch dieser Vorgang keineswegs unvermeidlich ist. Jedermann weiß, daß die Geistesgestörten die Welt nach ihrer eigenen, auf besondere Weise widerspruchsfreien Logik interpretieren; wie kann ein Mensch sagen, ob seine eigene Logik eine „besondere“ ist oder nicht, da er doch nur seine eigene Logik besitzt, um sich selber zu beurteilen? Ich sehe keine Antwort. Ich werde nur an Gödels zweiten Satz erinnert, wonach die einzigen Versionen der formalen Zahlentheorie, die ihre eigene Widerspruchsfreiheit sichern, widerspruchsvoll sind ...
Können wir unseren eigenen Geist oder
unser eigenes Gehirn verstehen?
    Die andere metaphorische Analogie zu Gödels Satz, die ich provokativ finde, legt den Gedanken nahe, daß wir letzten Endes unseren eigenen Geist und unser eigenes Gehirn nicht verstehen können. Das ist eine so problembefrachtete, vielstufige Vorstellung, daß man sie nur mit größter Vorsicht darlegen kann. Was bedeutet „unseren Geist und unser Gehirn“ verstehen? Es könnte bedeuten, daß man eine allgemeine Vorstellung davon hat, wie Mechaniker eine Vorstellung davon haben, wie Automobile funktionieren. Es könnte bedeuten, daß man eine vollständige Erklärung dafür hat, warum die Menschen all das tun, was sie tun. Es könnte bedeuten, daß man die physiologische Struktur seines Gehirns auf allen Stufen vollständig versteht. Es könnte bedeuten, daß man einen vollständigen Schaltplan des Gehirns in einem Buch (oder einer Bibliothek oder in einem Computer) besitzt. Es könnte bedeuten, daß man in jedem Augenblick genau wüßte, was in seinem Gehirn auf der Neuronenstufe vor sich geht — jede Erregung, jede synaptische Veränderung usw. Es könnte bedeuten, daß man ein Programm geschrieben hat, das den Turing-Test besteht. Es könnte bedeuten, daß man sich selbst so gut kennt, daß Begriffe wie das Unbewußte und die Intuition sinnlos sind, weil alles offen zutage liegt. Es könnte beliebig viele andere Dinge bedeuten.
    Welche dieser Arten von Selbstspiegelung ähnelt, wenn überhaupt, der Selbstspiegelung in Gödels Satz am ehesten? Ich würde mit der Antwort zögern. Einige sind ganz einfältig. Zum Beispiel ist die Vorstellung, daß man den Zustand des eigenen Gehirns in allen Einzelheiten verfolgen könnte, ein Luftschloß, von vornherein ein absurder unduninteressanter Vorschlag; und wenn Gödels Satz den Schluß zuläßt, daß das unmöglich ist, dann ist dies kaum eine Offenbarung. Andererseits hat das uralte Ziel, sich selbst in seiner ganzen Tiefe zu erfassen — nennen wir es „die eigene psychische Struktur verstehen“ — einen plausiblen Klang. Könnte es aber nicht eine vage Gödelsche Schleife geben, die der Tiefe eine Grenze setzt, in die wir in unsere Seele eindringen können? So wie wir unser Gesicht nicht mit eigenen Augen sehen können, ist es unvernünftig zu erwarten, daß wir unsere vollständige geistige Struktur in den Symbolen, die sie tragen, spiegeln können!
    Alle diese einschränkenden Sätze der Metamathematik und Computertheorie legen nahe, daß es einen gewissen Todesstoß bedeutet, wenn die Fähigkeit, die eigene Struktur zu repräsentieren, einen bestimmten kritischen Punkt erreicht hat. Dann ist garantiert, daß man sich nie selber vollständig repräsentieren kann. Gödels Unvollständigkeitssatz, Churchs Unentscheidbarkeitssatz, Turings Halte-Satz, Tarskis Wahrheitssatz — sie alle haben den Klang eines alten Märchens, das uns warnt: „Die Suche nach Selbsterkenntnis heißt, sich auf eine Reise begeben, die ... immer unvollendet bleiben wird, auf keiner Karte eingezeichnet werden kann, nie ein Ende finden wird, sich nicht beschreiben läßt.“
    Haben aber die einschränkenden Sätze irgendeine Bedeutung für die Menschen? Hier eine Möglichkeit zu argumentieren: Entweder bin ich widerspruchsfrei, oder ich

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