Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
sogar Dialogiker.
Achilles:
Aah — wer? Die Alogiker? Wer ist das?
Schildkröte:
Charmante Fehlleistung! Ich sagte „Dialogiker“ und meinte damit Verfasser von Dialogen ... Nun, dabei fällt mir etwas ein. In dem unwahrscheinlichen Fall, daß ein Dialogiker ein kontrapunktisches Akrostichon zu Ehren Bachs verfaßte, glauben Sie, daß es angemessener wäre, wenn er seinen EIGENEN Namen akrostisch unterbringen könnte, oder den Bachs? Nun, wozu sich über solch frivole Dinge den Kopf zerbrechen? Wer immer so etwas schreiben will, kann selbst die Entscheidung treffen. Um auf Bachs melodischen Namen zurückzukommen, wußten Sie, daß die Melodie B-A-C-H rückwärts und umgekehrt gespielt genau die gleiche ist wie die ursprüngliche?
Achilles:
Hier frage ich mich, wie etwas umgekehrt gespielt werden kann. Rückwärts, das begreife ich schon, das ergibt H-C-A-B — aber umgekehrt? Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?
Schildkröte:
'n Skeptiker sind Sie schon. Nun, ich muß Ihnen das wohl demonstrieren. Lassen Sie mich rasch meine Geige holen — (geht ins anstoßende Zimmer und kommt im selben Moment mit einer uralt aussehenden Geige zurück) — und es Ihnen vorwärts und rückwärts und auf jede beliebige andere Weise vorspielen. Also: (Er stellt sein Exemplar der "Kunst der Fuge“ auf seinen Notenständer und öffnet es auf der letzten Seite.) Hier ist der letzte Kontrapunkt, und hier ist das letzte Thema ...
Herr Schildkröte beginnt zu spielen: B-A-C- — aber als er das abschließende H streichen will, unterbricht plötzlich und unerwartet ein zerschmetterndes Geräusch die Darbietung. Beide drehen sich um und erblicken gerade noch eine Unmenge von Glassplittern, die klirrend von dem Regal , auf dem noch eben das Glas G stand, zu Boden fallen. Und dann ... Totenstille.
KAPITEL IV
Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Geometrie
Implizite und explizite Bedeutung
I M K APITEL II haben wir gesehen, wie — zumindest in dem vergleichsweise einfachen Kontext eines formalen Systems — sich eine Bedeutung ergibt, wenn zwischen gewissen Regeln gehorchenden Symbolen und Dingen der realen Welt eine Isomorphie besteht. Je komplexer im allgemeinen die Isomorphie, um so mehr „Gerät“ — sowohl Hardware wie Software — benötigt man, um aus den Symbolen ihre Bedeutung herauszuholen. Ist eine Isomorphie sehr einfach (oder sind wir mit ihr sehr vertraut), dann sind wir versucht zu sagen, die Bedeutung, die sie uns zu erkennen gibt, sei explizit. Wir erkennen die Bedeutung, ohne die Isomorphie wahrzunehmen. Das krasseste Beispiel ist die menschliche Sprache. Hier spricht man oft den Wörtern als solchen Bedeutung zu, ohne sich auch nur im geringsten der äußerst komplexen „Isomorphie“ bewußt zu sein, die ihnen Bedeutung verleiht. Ein Fehler, der einem nur zu leicht unterläuft. Man spricht die ganze Bedeutung dem Objekt (dem Wort) zu und nicht der Verbindung zwischen diesem Objekt und der Wirklichkeit. Das wäre etwa mit dem naiven Glauben zu vergleichen, ein Geräusch sei eine notwendige Nebenerscheinung des Zusammenstoßens zweier Gegenstände. Dieser Glaube ist falsch, wenn zwei Gegenstände im Vakuum aufeinanderstoßen, entsteht überhaupt kein Geräusch. In diesem Fall kommt der Irrtum daher, daß das Geräusch ausschließlich dem Zusammenstoß zugeschrieben wird, und daß man die Rolle des Mediums nicht erkennt, das das Geräusch von den Gegenständen zum Ohr leitet.
Oben habe ich das Wort „Isomorphie“ in Anführungszeichen gesetzt, um anzudeuten, daß es cum grano salis zu verwenden ist. Die dem Verständnis der menschlichen Sprache zugrunde liegenden symbolischen Prozesse sind so viel komplexer als die symbolischen Prozesse in typischen formalen Systemen, daß wir uns ein weit flexibleres Verständnis der Isomorphie als bisher zu eigen machen müssen, wenn wir daran festhalten wollen, daß Bedeutung durch Isomorphie vermittelt wird. Meiner Meinung nach wird das Schlüsselelement in der Beantwortung der Frage „Was ist Bewußtsein?“ die der Bedeutung zugrunde liegende „Isomorphie“ aufdecken.
Explizite Bedeutung des Contrakrostipunktus
All das soll uns als Vorbereitung für eine Besprechung des Contrakrostipunktus dienen, eine Untersuchung über Bedeutungsebenen. Der Dialog hat sowohl explizite wie implizite Bedeutungen. Seine am meisten explizite Bedeutung liegt einfach in der Geschichte, die erzählt wird. Die „explizite“ Bedeutung ist genaugenommen äußerst implizit in dem Sinne,
Weitere Kostenlose Bücher