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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Mitternacht? Tut mir leid, aber ich befürchte, es ist Zeit zum Schlafen. Ich würde ja gerne noch etwas plaudern, aber ich bin wirklich allmählich recht müde.
Achilles:
Plaudern macht müde, recht haben Sie. Also ich gehe jetzt. (Wie er zur Tür kommt, hält er plötzlich inne und dreht sich um:)
Achilles:
Ich bin aber heute vergeßlich! Ich habe Ihnen ein kleines Geschenk mitgebracht. Hier. (Er übergibt der Schildkröte ein kleines, hübsch eingepacktes Paket.)
Schildkröte:
Ei, tausend Dank. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Ich will es gleich öffnen. (Er öffnet begierig das Paket, und findet darin ein Kelchglas.) Was für ein schönes Glas! Wußten Sie denn, daß ich ausgerechnet auf Kelchgläser versessen bin?
Achilles:
Ganz bestimmt nicht! Was für ein hübscher Zufall.
Schildkröte:
Etwas will ich Ihnen verraten, wenn Sie ein Geheimnis behalten können. Ich versuche, das Vollkommene Glas zu finden, eines, das keinerlei Mängel in seiner Form aufweist. Wäre es nicht schön, wenn es gerade dieses Glas — nennen wir es „G“ — wäre? Sagen Sie mir — wo stießen Sie auf das Glas G?
Achilles:
Leider ist das nun MEIN kleines Geheimnis. Tut mir leid. Aber vielleicht wüßten Sie gerne, wem es einst gehört hat?
Schildkröte:
Tatsächlich, das würde mich interessieren.
Achilles:
S agen Sie, haben Sie jemals etwas von dem berühmten Glaskelch Johann Sebastian Bachs gehört? Nun, Bach war nicht gerade als Sammler berühmt, und wir wissen wenig über seinen Privatbesitz. Höchstwahrscheinlich aber ist dieses Glas das einzige Stück, das der Nachwelt erhalten blieb.
Schildkröte:
Ach, das einzige? Wenn es wirklich einst Bach gehört hat, dann ist es ja von unschätzbarem Wert. Aber wie können Sie sicher sein, daß es von ihm stammt?
Achilles:
Ganz einfach: Es hat eine Inschrift. Schauen Sie sie! Können Sie sehen, daß sein Name gleich mehrfach eingraviert ist?
Schildkröte:
Toll! (Er stellt das Glas G behutsam auf ein Regal .) Ganz außerordentlich! Ist Ihnen aufgefallen, daß auch in den eingravierten Noten sein Name auftaucht: B-A-C-H?
Achilles:
's ist nicht möglich!
Schildkröte:
J a, es ist aber so.
Achilles:
hm ... nun gut. Dann stellt sein Name also eine Melodie dar?

Abb. 19 . Die letzte Seite des Originalmanuskripts von Bachs Kunst der Fuge trägt in der Handschrift von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel den Vermerk: „NB. Im Verlauf dieser Fuge, an dem Punkt, an dem der Name B.A.C.H. als Gegenthema eingeführt wurde, starb der Komponist.“ (B-A-C-H oben eingerahmt.) Diese letzte Seite von Bachs letzter Fuge soll mir als Epitaph dienen. Notensatz durch das von Donald Byrd an der Indiana University entwickelte Programm „SMUT“.)
Schildkröte:
Seltsam, aber wahr! Tatsächlich hat er diese Melodie auch subtil in eines seiner komplexesten Stücke verwoben, nämlich den abschließenden Contrapunkt in seiner Kunst der Fuge. Das war die letzte Fuge, die Bach komponiert hat. Als ich sie das erste Mal hörte, hatte ich keine Ahnung, wie sie enden würde. Plötzlich und unerwartet brach sie ab. Und dann — Totenstille. Ich war mir sofort im klaren, daß das der Augenblick von Bachs Tod war. Es ist ein unbeschreiblich trauriger Augenblick, und auf mich wirkte er niederschmetternd. Auf jeden Fall ist B-A-C-H das letzte Thema der Fuge. Bach hat es nicht ausdrücklich betont, wenn man es aber weiß, findet man es ohne große Mühe. Ach, es gibt ja so viele verzwickte Methoden, etwas in der Musik zu verbergen ...
Achilles:
... oder in Gedichten. Dichter taten ja ganz ähnliche Dinge (obgleich sie heute nicht in Mode sind). Z. B. verbarg Lewis Carroll oft Wörter oder Namen in den Anfangsbuchstaben der Zeilen in seinen Gedichten. Ein Gedicht, das solche Botschaften verbirgt, nennt man „Akrostichon“.
Schildkröte:
Bach hat ebenfalls — was nicht verwunderlich ist — gelegentlich Akrosticha verfaßt. Schließlich haben ja Kontrapunkt und Akrosticha mit ihren verschiedenen versteckten Bedeutungsebenen recht viel gemeinsam. Die meisten Akrosticha haben jedoch nur eine verborgene Ebene — obgleich kein Grund dafür vorliegt, nicht auch ein zweistöckiges Akrostichon zu machen, eines auf dem andern. Oder es ließe sich ein Kontrakrostichon machen, indem die Anfangsbuchstaben, rückwärts wie in einem Spiegel gelesen, eine Botschaft bildeten. Mein Gott, die dieser Form innewohnenden Möglichkeiten sind gar nicht abzusehen. Das ist auch nicht auf Dichter beschränkt. Jeder könnte Akrosticha schreiben,

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