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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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Godobert versicherte ihn seines Mitgefühls. »Unser entschwundener Meister hat mich beauftragt«, fuhr er dann mit gedämpfter Stimme fort, »dir etwas auszuhändigen.« Er sah verstohlen über seine Schulter und zog rasch ein längliches Kuvert hervor. »Stecke es weg, sprich mit niemandem darüber, und schau erst hinein, wenn man dir nicht dabei zusehen kann.« Er nickte Marian lächelnd zu, wandte sich um und kehrte beschwingten Schritts in die Gaststube zurück.
    Marian sah ihm nach und drehte dabei den Umschlag in seinen Händen hin und her. War das alles eben wirklich passiert? Erst als hinter ihm ein lautes Scheppern ertönte, kam er zu sich. Rasch schob er das Kuvert in die Innentasche seines Begräbnisjacketts. Er sah zum Fenster hinüber – von dort aus hatte sie niemand beobachten können. Und das Scheppern hatte allem Anschein nach die rot-weiß getigerte Katze ausgelöst, die von der Mauer gesprungen war und dabei ein kleines metallenes Bierfass umgeschmissen hatte.
    Auf den wenigen Metern zurück in die Gaststube musste er mindestens dreimal nach dem Umschlag tasten. Sowie er seine Hand wegnahm, kam es ihm wieder vor, als hätte er das Ganze nur geträumt. Dabei war das Kuvert so dick und schwer, dass er es auch so auf seiner Herzseite spürte. Bestimmt enthielt es noch etwas anderes als bloß ein paar Blatt gefaltetes Papier.
    Er musste auf der Stelle nachsehen, was sich in dem geheimnisvollen Umschlag befand. Eben wollte sich Marian nach den Toiletten umschauen, als er drinnen in der Gaststube Godoberts kräftige Stimme hörte. »Werte Hinterbliebene, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Auftragsgemäß möchte ich Sie nun mit dem Letzten Willen unseres verehrten Verblichenen bekannt machen.«
    Marian schlüpfte in die Gaststube. Dort hingen alle Hegendahls mit atemloser Aufmerksamkeit an den Lippen des Redners. Godobert stand mitten in dem großen Schankraum. »Ehe meine Brüder beglaubigte Kopien des Testaments verteilen, möchte ich Sie von der quälenden Spannung befreien, die sich von Ihren Gesichtern unschwer ablesen lässt.«
    Er legte eine kleine Kunstpause ein. Seine Augen blitzten vor Heiterkeit. »Also kurz und gut«, sagte er, »unser verewigter Meister Marthelm Hegendahl hat uns, seine Logenbrüder, als seine eigentliche Familie betrachtet. Infolgedessen hat er der ›Loge zu den Spiegeln des Lichts‹ sein gesamtes Vermögen vermacht. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen an genehmen Aufenthalt in unserem wundervollen Städtchen Croplin.«

7

    Erst am Abend in seinem Hotelzimmer konnte sich Marian dazu durchringen, den Umschlag wieder aus seiner Jackentasche zu ziehen. Er drehte ihn in der Hand hin und her – und legte ihn ungeöffnet auf den Nachttisch.
    Im Verlauf des Nachmittags war ihm die Sache immer unheimlicher geworden: Warum sollte Marthelm ausgerechnet ihm als Einzigem in der ganzen Familie etwas vererbt haben? Mit Linda konnte er nicht darüber sprechen. Marian wusste selbst nicht so recht, aus welchem Grund. Normalerweise konnte er mit seiner Mutter so ziemlich über alles reden. Na ja, ein paar Ausnahmen gab es natürlich schon. Und dieser geheimnisvolle Umschlag gehörte eindeutig zu den Ausnahmen. Nicht nur, weil der Freimaurer Godobert ihn ermahnt hatte, das Geheimnis für sich zu behalten. Und auch nicht nur deshalb, weil Daddy Chris ihm verboten hatte, mit dem »gefährlichen Irren« Marthelm in irgendeiner Weise Kontakt aufzunehmen. Nein, das hier war eine Sache, die er zunächst mal mit sich selbst ausmachen musste.
    Marian setzte sich auf den Bettrand und starrte auf das Kuvert. Er war todmüde, aber gleichzeitig so aufgeregt, dass er bestimmt die halbe Nacht wach liegen würde. Sein Herz klopfte viel schneller als normal – eigentlich schon, seit Godobert ihm den Brief zugesteckt hatte. Oder sogar, seit sie von der Autobahn in Richtung Cropliner Moor abgebogen waren.
    Dabei sah der Briefumschlag ganz gewöhnlich aus: weiß, von länglicher Form, ein wenig verblichen und mittlerweile auch reichlich zerknittert . »Marian Hegendahl – persönlich« , stand in altertümli cher Schrift darauf. Aber was mochte das nur für ein Ding sein, das er im Innern des Umschlags undeutlich ertasten konnte?
    Es besaß die ungefähre Form einer Seemuschel und es fühlte sich fest und gleichzeitig elastisch an. In Marian kämpften Angst und Neugier um die Vorherrschaft. Vielleicht würde er Tod und Verderben über seine Familie und die ganze Welt

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