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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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zu Gestirn springender Dämon.«
    Er stand vor einem Lesepult, doch es war nicht das prachtvolle Möbelstück aus der Bibliothek. Und er las in einem Buch, das vor ihm aufgeschlagen auf der schrägen Pultplatte lag – aber hatte er nicht gerade eben erst den letzten Wälzer von sich weggeschoben, weil er von dem geheimnisvollen Gebrabbel keine Silbe verstand?
    »Tödlich v erfeindet sind die Elemente: Die Ozeane wüten gegen Vulkanglut, Lehmerde erstickt die Atemluft. Deshalb ist das Chaos selbst für den Erleuchteten so gefährlich – und so unersetzlich kostbar für das große alchimistische Werk.«
    Nicht, dass er jetzt mehr begriffen hätte von dem, was in diesem unglaublich alt aussehenden Buch geschrieben stand. Außerdem war es in dem Raum so düster, dass die Zeilen fast ineinander verschwammen. Er ließ eine Hand an der Stelle, wo er eben gelesen hatte. Mit der anderen klappte er den Wälzer zu, um auf dem zernarbten schwarzen Lederumschlag nachzusehen, worum es in diesem Buch überhaupt gehen sollte.

    Der Pfad der Erleuchtung
    Einführung in die ehrwürdige Kunst der Alchymie
    Von Dr. Dr. Elisha Asmol
    London, im 1616. Jahr des Herrn

    Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht – aber was? Marian fühlte sich so benommen, als ob er aus tiefem Schlaf gerissen worden wäre und nicht richtig wach werden könnte. Verzweifelt versuchte er, sich zu erinnern: Was war mit ihm passiert? Er wollte sich umwenden, sich in dem Raum umsehen, in dem er sich befand. Aber aus irgendeinem Grund gelang ihm nicht einmal diese Bewegung.
    Als ob ein fremder Wille von ihm Besitz ergriffen hätte, schlug er stattdessen das Buch wieder auf und beugte sich darüber. Mit der linken Hand tastete er nach seinem Kopf – warum fielen ihm seine Haare nicht ins Gesicht wie sonst immer, wenn er sich nach vorn beugte?
    Eisiges Entsetzen. Seine Finger erfühlten ein raues Lederband, mit dem seine Haare im Nacken zusammengebunden waren. Und er hatte nicht die geringste Erinnerung, wann und wie das geschehen sein sollte. Erneut versuchte er, sich zu konzentrieren – wieder schien der fremde Wille stärker: Er zwang Marian, seine Augen abermals auf die aufgeschlagene Buchseite zu richten.
    »Aus dem Chaos entsteht alles: der Stein d er Weisen und d as k ünstliche Gold, das Wasser des Jungbrunnens und der Odem, der den G*L*M Leben einbläst .«
    Den G*L*M? Eine ungeheure Aufregung ergriff ihn – wie war er zu diesem Buch gekommen? Mit großer Mühe gelang es ihm diesmal, sich umzuwenden – er wollte in den endlosen Bücherreihen nachsehen, wo er dieses Werk hervorgezogen hatte. Bestimmt standen dort weitere Bücher, die ihm helfen konnten, auf dem »Pfad der Erleuchtung« voranzukommen.
    Doch wie sehr erschrak er, als ihm klar wurde, wo er sich befand. Nicht im Büchersaal der Logenbrüder. Sondern in der Kammer jenes Schülers oder Studenten – in der anderen Welt hinter dem Talmibro-Fenster.
    Aber das konnte doch überhaupt nicht sein, oder? Für einen langen Moment stand er wie gelähmt da. Schaute sich nur immer wieder in der Kammer um, während sein Herz wie rasend klopfte. In der Ecke unter dem Balken ein ärmliches Bett – aufgeschüttetes Stroh mit einer löchrigen Wolldecke darauf. Neben dem winzigschmalen Fenster eine Truhe, aus rohen Brettern schief zusammengehämmert. Vor dem Fenster funkelten die Sterne am schwarzen Himmel – anscheinend war es bereits tiefe Nacht. In einer Wandnische über dem Lesepult flackerte eine Kerze. Ein zweites, noch kümmerlicheres Licht glomm auf dem Balken über dem Strohbett. Das gesamte Zimmerchen war so klein, die Decke so niedrig, dass man sich mehr wie in einer Höhle vorkam.
    Wo war der junge Student, den Marian doch eben noch in dieser Kammer gesehen hatte – genau hier, wo er selbst jetzt stand, vor dem Pult mit dem aufgeschlagenen Buch? Wie sollte er ihm erklären, dass er plötzlich in seinem Zimmer war?
    Nein, besser suchte er das Weite, bevor dieser Kerl zurückkam und ihn zur Rede stellte. In seiner rechten Hand hielt er das Talmibro – jetzt war es wieder ganz klein und geschlossen wie eine Muschel. Marian nahm es in die Hand und wollte es zurück in seine Hosentasche stecken. Doch seine Hand fuhr ins Leere. Das Talmibro fiel auf den Holzboden und rollte davon, in irgendeinen dunklen Winkel.
    Fassungslos schaute Marian an sich herunter. Aus irgendeinem Grund trug er genau solche Kleidungsstücke, wie er sie vorhin an dem Jungen auf der anderen Seite des Talmibros gesehen

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