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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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schon so früh auf?« Der Sprecher wischte sich mit einem Zipfel seiner gleichfalls mehlweißen Schürze über Nase und Wangen, und ein sommersprossiges Jungengesicht kam zum Vorschein. »Magst einen Brotfetzen?«
    Julian nickte eifrig. Sein Freund Piet griff hinter sich und reichte ihm einen halben Brotlaib, der vor Wärme noch dampfte. »Hat dein Herr schon mit dir gezetert?«, wollte der Famulus wissen.
    »Wieso gezetert?«
    Julian hatte den Mund voll heißem Brot und konnte nicht gleich antworten. Na, mach schon, dachte Marian, wenn dieser Wulf euch hier entdeckt, hast du noch ein Problem mehr! Julians Draufgängertum war haarsträubend, zumindest manchmal. Natürlich konnte Marian froh sein, dass Marthelm ihn durch das Talmibro nicht mit einem feigen und apathischen Real-world-Avatar verbunden hatte. Aber dieses unbekümmerte Vorwärtsstürmen ging ihm doch öfter mal zu weit. Und vor allem zu schnell.
    Mittlerweile hatte Julian den größten Teil seines Brotes heruntergeschlungen und konnte seinem Freund Antwort geben. Zu Marians Erleichterung erzählte er nichts von der Geisterbeschwörung gestern Abend und erwähn te erst recht nicht, was er eben im Hegendahl’schen Gutshaus beobachtet hatte. »Ich hab gehört«, sagte er nur und dämpfte seine Stimme, »dass der Bäcker dich für den Dieb hält, der ihm ab und zu in den Schatzbeutel greift.«
    Piet machte ein so unschuldiges Gesicht, dass es fast schon wieder verdächtig war. Zumal es zu seinen blitzend grünen Augen, der aufgestülpten Nase und den tausend Sommersprossen nicht so richtig passen wollte. »Soll er nur meine paar Habseligkeiten durchwühlen«, sagte er, »dann wird sich schon zeigen, dass er auf einen Verleumder reingefallen ist. Aber ich danke dir trotzdem«
    Er grinste unbekümmert und gleich darauf drängte er Julian zum Aufbruch. »Ich muss noch zwei Dutzend Bro te backen«, sagte Piet. »Wenn der Herr Wulf uns hier schwatzen sieht, wird er erst recht böse auf mich – und diesmal sogar mit Recht. Also bis bald, Julian!«
    Damit ging der Laden wieder zu und der Famulus trottete endlich nach Hause.
    Diese Lehmpuppen, dachte er unterwegs, irgendwas hab ich doch über Lehmfiguren, die zum Leben erwachen, schon mal gelesen. Er gähnte so heftig, dass ihm die Tränen in die Augen schossen. Aber leider kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, überlegte er schläfrig weiter, was es mit diesen Erdpüppchen auf sich hat. Na, erst mal noch eine Mütze voll Schlaf nehmen – in kaum einer Stunde klopft Jungfer Hildegunde schon wieder an meine Tür und ruft ›Julian, will Er nicht aufstehen! Wie wär’s stattdessen, holde Maid, wenn Sie zu mir unter die Decke schlupft?
    So brabbelte der Famulus in Gedanken vor sich hin und ließ sich dabei ohne weiteren Widerstand in seine Kammer manövrieren. Marian fischte ihm wieder das Talmibro aus dem Brustbeutel und wunderte sich flüchtig darüber, dass Julian seine Haare heute gar nicht im Nacken zusammengebunden trug. Der Famulus fiel auf sein Strohbett und schloss die Augen.
    Das Buch auf seinem Bord muss halt bis morgen warten, dachte Marian. Und fing schon an zu murmeln: »Mabro silat … Mabrosilat …«
    Golem, dachte währenddessen der schlaftrunkene Famulus, hießen die Lehmdinger nicht Gol…? Dabei murmelte auch er »Mabrosilat … Mabro …« – und schlief hier wie dort auf halber Strecke ein.

24

    Es war stickig warm in der Bibliothek und der ganze Saal in trübes Dämmerlicht getaucht, dabei war es vorm Fenster noch heller Tag. Marian erhob sich aus dem schwarzen Sessel und steckte das Talmibro in seine Tasche. Im ersten Moment fühlte es sich fast ein bisschen fremd an, zurück in seinem eigenen Körper zu sein. Aber danach war es umso großartiger, dass man sich wieder so bewegen konnte, wie man selbst es gerade wollte.
    Er streckte sich, trat ans Lesepult, fuhr mit dem Zeigefinger über die goldgelben und blutroten Intarsien. Planeten und geflügelte Dämonen. Außerdem ein Drache, der das Ende seines schuppigen Schweifs im Maul hielt: Ou roboros. Für die mittelalterlichen Alchimisten symbolisierte er die Erschaffung künstlicher Kreaturen durch die Macht der Magie. Das hatte Marian vor Kurzem erst gelesen.
    Er nahm den Hörer von dem altertümlichen Wandtelefon. Was hatte Julian da eben noch gedacht?
    Egal, jetzt erst mal was essen, beschloss er – das frische Brot hatte ja köstlich geschmeckt, aber davon satt geworden war höchstens Julian.
    Der Hörer war stumpfschwarz,

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