Gößling, Andreas
regelmäßige Kugelform und ungefähr den Umfang eines Männerschädels. Sie lagen überall in der Höhle verstreut, dabei mussten die Logenbrüder schon Dutzende davon in den schwarzen Kästen nach oben getragen haben. Manche hatten eine entfernte Ähnlichkeit mit Menschengesichtern – sehr viel eher waren es die Fratzen von Horrorwesen.
Marian erblickte dreiäugige Kreaturen, Geschöpfe mit Trichtermäulern, mit distelspitzen oder wie Schlangen sich halb um den Schädel windenden Ohren. Bei einigen der Kugelkreaturen lief eine Art Augenschlitz um den ganzen Kopf – der gleichzeitig ihr Körper war – herum. Manche wiesen Überreste von Flügeln auf, schwarz und ledern wie bei Fledermäusen. Bei anderen bemerkte Marian eine Vielzahl von Beinstümpfen – offenbar hatten sie sich zu Lebzeiten wie überdimensionale Spinnen fortbewegt. Wieder andere schienen fast nur aus Zähnen zu bestehen – Mäulern voll dolchspitzer Reiß- und Stoßzähne, darüber zwei winzige, boshafte Augen.
Godobert nahm den Deckel von einer der schwarzen Kisten. Dann hob er mit beiden Händen einen Kugeldämon auf, dessen Augenhöhlen wie Trapeze geformt waren. Er setzte ihn in die schwarze Kiste, stülpte sofort wieder den Deckel darauf und erhob sich mit einiger Mühe.
»Mach es einfach wie ich«, sagte er. »Es sind ja allem Anschein nach nur noch die leblosen Überreste der Dä monen, die Marthelm durch dieses Sphärenfenster herbeigezwungen hat. Er hat es uns mehr als einmal be schrieben, obwohl wir lieber nichts davon erfahren hätten. Aus Erde oder Lehm hat er im Groben solche Kugelformen hergestellt – in anderen Fällen wohl auch Figuren mit menschenähnlicheren Umrissen. Wenn dann ein Geist in so eine Form hineinfährt, nimmt das Material bis zu einem gewissen Grad das Aussehen dieses Dämons an.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ob tot oder nicht, ich will die Biester nicht im Haus haben. Deshalb habe ich meine Brüder angewiesen, alles nach oben zu bringen.«
»Aber was haben Sie mit ihnen vor?«
»Wir vergraben sie hinter dem Haus.«
Marian hatte unterdessen die zweite Kiste zu sich heran gezogen und den Deckel abgenommen. Sie ähnelte einer altmodischen Hutschachtel – außen schwarz lackierte Pappe, innen gefüttert mit goldgelbem Seidenpapier. Nur allmählich wurde ihm klar, was Godobert da eben gesagt hatte. »Sie wollen die Dämonendinger im Hexenholz verbuddeln?«
Als ob diese Kugelfratzen allein nicht schon unheimlich genug wären. Weil Marian keine Antwort bekam, wandte er sich um. Im Eingang zu der kleinen Höhle drängten sich mittlerweile mehrere Logenbrüder. Vor ihnen stand ihr Meister Godobert, flüsternd und gestikulierend. Mehrfach schaute er über die Schulter zu Marian, wie man zu jemandem hinsieht, über den man gerade redet. Offenbar gefiel es den anderen alten Männern nicht, dass Marian hier war, und Godobert versuchte, sie zu beschwichtigen.
Aber Marian gefiel es auch selbst immer weniger, dass er in dieser Geisterhöhle hockte und Dämonenüberreste beseitigen sollte. Halbherzig griff er nach einer Kugelkreatur mit umlaufendem Augenschlitz. Aber dann zog er die Hände wieder zurück. Ein halbes Dutzend alter Männer kauerte nun um ihn herum auf dem schimmligen Felsboden und verstaute weitere der grässlichen Kreaturen in schwarzen Schachteln. Doch sie alle trugen Handschuhe, und vorhin hatte Godobert seine Hände sogar eigens bedeckt, ehe er das Kugelding in den Kasten gepackt hatte.
»Kluger Entschluss, Junge«, sagte einer der alten Brüder, der ihn offenbar beobachtet hatte. »Die Biester sind alle mit so einem zähen, klebrigen Zeug bedeckt. Man kann nie wissen.« Er hustete rasselnd. »Wenn es nach mir gegangen wäre, würden wir sie nicht einfach oben im Wald vergraben.« Er nahm eines der Wesen, stopfte es in seine Kiste und drückte den Deckel fest darauf.
»Was würden Sie denn damit machen?«, fragte Marian.
»Einen hübschen großen Scheiterhaufen draußen im Moor würde ich aufschichten. Dann würde ich die Biester alle draufkippen und das Ganze anzünden.« Der alte Mann spuckte aus und sah Marian aus rot geäderten Augen an. »Das würde ich machen, Junge.«
Wenig später stand Marian inmitten der Logenbrüder in dem engen Hof hinter dem ehemals Hegendahl’schen Gutshaus. Die alten Männer hatten sämtliche schwarzen Kästen durch die Fensterluken hier herausgeschafft und im Hof aufgestapelt. Es mussten wenigstens fünfzig sein.
»Dämonensärge«, hatte einer der Brüder
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