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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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lauter wurde? Ein Knarren, Knirschen, Knacken, ein Ächzen, Stöhnen, Seufzen, als ob da ein durchgeknallter DJ den Lautstärkeregler hochziehen würde – bis das Tosen so ohrenbetäubend war, dass man seine eigenen Gedanken nicht mehr verstand. Dass einem der ganze Schädel bis zum Platzen mit Waldkreischen, Waldächzen, Waldwahnsinn angefüllt war. Dass man überhaupt nicht mehr wusste, warum man durch dieses Dickicht stolperte. Wohin man eigentlich wollte, wo Weg und Seil plötzlich hingeraten waren. Und wer war das denn, dieses Mädchen da drüben zwischen den Büschen voll blutroter Beeren – das ist doch Billa, dachte Marian. Was macht die denn hier im Wald?
    »Hey, Billa, warte!«, rief er und stolperte ihr entgegen, über Wurzeln, Steinbrocken, bunt gepunktete Pilze – da packte ihn eine Hand hart bei der Schulter und riss ihn zurück.
    »Obacht, Junge«, schrie ihm eine dünne Greisenstimme ins Ohr, »sonst gehst du flöten!«
    Er fuhr herum und sah in das furchige Gesicht des Alten, der es vorgezogen hätte, einen Scheiterhaufen aufzuschichten. »Ich glaube, Sie hatten recht«, sagte Marian. »Danke.« Er keuchte, der Schweiß lief ihm in die Augen.
    Die Kolonne der anderen Träger war ihnen schon ein gutes Stück voraus. In den Armen hielt er noch immer seinen »Dämonensarg« – und er konnte sich überhaupt nicht erklären, was eben mit ihm passiert war. Die Bäume knarrten und ächzten nicht viel lauter als in anderen Wäldern auch. Ab und zu kreischte da oben in den Wipfeln ein aufgescheuchter Vogel. Aber von dem betäubenden Tosen und Brausen war nichts mehr zu hören – und auch von Billa weit und breit keine Spur.
    Er reihte sich wieder bei den Trägern ein, warf seinen Kasten in das Erdloch hinab, als er an der Reihe war. Ohne seinen Vordermann und das Seil zu seiner Linken aus den Augen zu lassen, kehrte er zum Logenhaus zurück.
    Noch etliche Male gingen sie an diesem Nachmittag hinaus zum Dämonengrab und zurück zu den aufgestapelten schwarzen Kästen. Weitere Zwischenfälle blieben glücklicherweise aus. Doch auch Meister Godobert atmete sichtlich auf, als die Totengräber und Sargträger wohlbehalten aus dem Wald zurück, das Tor verschlossen, die Seile wieder eingerollt waren.
    Die Totengräber nahmen ihre hohen Hüte ab und wischten sich den Schweiß von den Stirnen.
    »Schweigen, Schweigen über alles«, sagte Meister Godobert, »was ihr heute gesehen und gehört habt.« Er richtete seinen Blick auf Marian. »Das gilt auch für unseren Gast.
    Schwöre, dass du niemandem berichten wirst, was du in der Loge erfahren hast.«
    »Ich schwöre es«, sagte Marian. Und sprach dann mit den Brüdern den blutrünstigen Schwur mit, den er bereits Julian in der Schlossruine hatte murmeln hören. »Schweigen, Schweigen – die Zunge soll mir aus dem Mund geschnitten, meine Kehle durchtrennt und das Herz aus meiner Brust gerissen werden, wenn ich diesen Schwur jemals breche.«
    »Damit ist unsere heutige Sitzung geschlossen«, verkündete Godobert. »Ich danke euch, Brüder. Bald werden bessere Zeiten anbrechen, ich verspreche es euch. Dann können wir auch wieder ungestört daran arbeiten, uns selbst zu vervollkommnen und das Leid in dieser Welt durch mildtätige Werke zu lindern. Denn darum sind wir Freimaurer geworden – und nicht deshalb, um Macht über Dämonen zu gewinnen oder auf andere Weise im Werk des Großen Weltbaumeisters herumzupfuschen.« Er sah Marian eindringlich an. Aber der hatte auch so schon begriffen, gegen wen sich diese Worte richteten. »Geht nun in Frieden eurer Wege, Brüder«, sagte Godobert.
    Als Marian draußen auf der Straße war, schlug die Stundenglocke achtmal. Es folgten zwei leisere Schläge – halb neun schon. Das erstaunte ihn über die Maßen. Um die Mittagszeit war er zum Logenhaus gekommen – und jetzt konnte er sich überhaupt nicht erklären, wo die vielen Stunden geblieben waren. Tatsächlich dämmerte bereits der Abend.
    Er war doch gleich von der Bibliothek wieder nach unten gegangen. Und auch vor jener dunklen Pforte hatte er ja höchstens eine halbe Stunde verbracht. Oder verlief die Zeit vor so einem Sphärenfenster schneller als anderswo? Das war doch sehr gut möglich. Dass er im Hexenholz vom Weg abgeirrt war, konnte jedenfalls höchstens ein paar Minuten ausgemacht haben.
    Aber wie unheimlich, dachte Marian – wie der Wald auf einmal mit tausend Geisterstimmen geschrien, geseufzt, geheult hat! Und dann Billa zwischen diesen Büschen voll

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