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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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sagen können, ob der Wald wirklich rechts von ihm war oder ob er sich vielleicht irgendwie umgedreht hatte, als er seinen Fuß aus dem Moorloch befreite. Dann nämlich wäre das Hexenholz jetzt linkerhand und das Moor zu seiner Rechten – und verdammt, ich will weder da- noch dorthin, dachte er.
    Obwohl keinerlei Wind ging, begann der Wald jetzt auch wieder zu rauschen und zu ächzen. Ein scheußliches Geheule mischte sich hinzu – keine Ahnung, ob aus dem Moor oder aus dem Hexenholz. Und dann hörte er auch noch Geräusche, die ihm total unwirklich vorkamen, finsterer Hexenzauber wie im Blair Witch Forest: Klap pern und Knarren, als ob dort eine Kutsche durch die Nacht jagen würde. Wer zum Teufel fuhr denn heutzuta ge noch mit einer Kutsche? Und dann auch noch im Finstern durch Moor und Wald?
    Angestrengt lauschte er, wagte noch weniger als vorher, sich auch nur einen Schritt von der Stelle zu bewegen. Aber er hörte es immer noch, und sogar lauter als vorher: die knarrende Achse, polternden Räder einer al tertümlichen Kutsche. Dazu Hufgeklapper, und dann Billas heiseres Rufen:
    »Marian? Hey, bist du hier irgendwo?«
    Wie aus dem Nichts tauchte eine schaukelnde Laterne in der Dunkelheit auf. Sie kam näher, die Umrisse eines Pferdes wurden sichtbar, dahinter tatsächlich ein kleiner offener Wagen. Darin eine schmale Gestalt, die nun an den Zügeln zog, aufstand, heraussprang. »Marian?«
    »Hier«, sagte er und versuchte, ganz locker zu klingen.
    Sie nahm die Laterne und kam die paar Schritte zu ihm rüber. »Was machst du denn da?«
    »Tja, ich hab wohl nicht so richtig auf den Weg geachtet.« Er zeigte auf sein linkes Bein: Turnschuh und Jeans waren bis fast zum Knie mit braunem Schmier verklebt.
    »Oh Mann, Marian.« Billa fing an, hektisch in der Ge gend herumzuleuchten. »Du hättest sterben können!« Sie klang schon fast wieder wie am Mittag, als sie vor Schluchzen und Heulen kein Wort mehr rausgebracht hatte.
    »Ist ja nix passiert«, sagte er. Aber er hatte wirklich Glück gehabt: Haarscharf neben ihm fing das Moor an, ein braunes Schlammgrab, so weit das Laternenlicht reichte. Und weit darüber hinaus. Mit einem Fuß hatte er schon drin gesteckt. »Danke, dass du mich abholst«, fügte er hinzu. »Aber wo hast du denn diese irre Kutsche her?«
    »Kalesche«, korrigierte sie. »Angeblich aus dem 17. Jahrhundert. Kleine Zeitreise gefällig?« Sie nahm seine Hand und er ließ sich bereitwillig zum Pferdewagen ziehen. »Das ist übrigens Tyram.« Mit ihrer Peitsche deutete sie auf das schwarze Pferd. Sie war immer noch ganz durcheinander, das spürte Marian genau – immer noch oder aufs Neue, weil sie sich wegen ihm erschreckt hatte.
    Er schluckte die Worte wieder runter, die ihm auf der Zunge brannten: Aber ich bin nicht Jakob. Ich bin Marian.
    Stattdessen hockte er sich auf das Trittbrett der Kalesche und zog seinen schlammschweren Schuh aus. Er klopfte seine Jeans notdürftig ab und wickelte beide Hosenbeine bis unter die Knie hoch.
    »Das waschen wir aus, kein Problem«, sagte Billa. »Du kriegst so lange eine Hose von Jakob.«
    Erst als sie schon in der Kalesche saßen und Billa den Wagen geschickt zwischen Wald und Moor gewendet hatte, fiel ihm auf, wie seltsam ihre Bemerkung von eben war.
    »Er ist doch vor drei Jahren verschwunden, oder?«
    Sie warf ihm einen rätselhaften Blick zu, sah gleich wieder nach vorn und ließ die Peitsche schnalzen. »Los, Tyram.« Mit behäbigem Schaukelgang zockelte der Rap pe vor ihnen den Weg entlang. In einiger Entfernung meinte Marian ein paar Lichter in der Nacht zu erkennen – wahrscheinlich schon ihr Hexengehöft. Aber Billa kam ihm heute kein bisschen hexenhaft vor. Nur traurig und verschreckt.
    »Ja, stimmt«, sagte sie. »Warum fragst du das?«
    »Weil Jakob damals erst zwölf war. Wie können mir dann die Sachen passen, die er damals getragen hat?«
    Wieder sah sie ihn mit diesem merkwürdigen Blick an. Herrje, sie ist genauso abgedreht wie alle hier in Croplin, dachte Marian. Er mochte sie ja wirklich gut leiden, und wenn sie so traurig und durcheinander wirkte, hätte er sie am liebsten in den Arm genommen und getröstet. Aber sie brachte da allem Anschein nach was durcheinander! Billa schien immer weniger mitzukriegen, dass Jakob und er zwei verschiedene Personen waren.
    » Wir sind gleich da«, sagte sie. »Eins noch, Marian: Die drei Frauen da auf dem Hof – na ja, sie werden dir etwas seltsam vorkommen. Ich bin ja dran gewöhnt, und ich weiß

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