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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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er sich selbst kaum wiedererkannte. Er hetzte Gassen hoch und Straßen runter, klopfte an, überreichte Tiegel und Phiolen und verweilte nirgendwo länger als unbedingt nötig. »Gott zum Gruß, Herr Pastor – ich bringe Ihre Artzeney.« Und war schon wieder aus der Tür und um die Straßenecke, während der geistliche Herr noch auf seiner Hausschwelle stand, die Phiolen in der Hand, und ihm kopfschüttelnd hinterhersah.
    Nicht anders erging es ihm beim Schuster und beim Goldschmied, beim Schneidermeister Oehlitz und selbst beim Besenmacher Hollerich – dabei tat dessen liebreizende Gattin Paulina höchstselbst ihm die Tür auf. An den Samstagabenden, wenn die Lehrjungen von Croplin bei einem Krug Dünnbier beisammensaßen, redeten sie oftmals von nichts anderem als von der Besenmacherin Paulina. Wie köstlich ihr Lächeln, wie üppig ihre Gestalt, wie betörend ihr Duft. Aber heute hatte der Famulus kaum einen Blick für die Schöne. »Gleich schlägt’s acht, Herrin – gehabt Euch wohl, ich muss mich sputen!« Und rannte weiter stadtauswärts, als ob der Teufel hinter ihm her wäre – dabei klingelte auf seiner Karre nur noch eine einzige Steige mit ein paar dürftigen Tiegeln drauf.
    Was ist heute bloß los mit mir?, wunderte sich Julian. Der Schweiß trieft mir ja nur so den Rücken runter, so hetze ich mich ab. Meine Haare sollte ich mir auch mal wieder artig zusammenbinden – bei diesem groben Strick, mit dem ich mir seit gestern behelfen muss, löst sich alle Stunde der Knoten. Wohin hab ich nur das Haarriemchen verräumt, das mir Jungfer Hildegunde zu meinem jüngsten Wiegenfest geschenkt hat? Sie hat mich heut früh schon ganz traurig angeschaut – so als ob sie fragen wollte: Mag Er mich und mein Riemchen nicht mehr? Ach, holde Maid, und wie! Aber wie soll man denn suchen, wenn man wie von Dämonen gezwackt durch die Stadt rennen muss? Und warum bei allen Heiligen gelingt’s mir heute nicht, auch nur für drei Atemzüge innezuhalten, um mir die Haartracht zu richten?
    Aber Marian ließ nicht locker. Er trieb Julian an, ähnlich wie zur gleichen (wenn auch keineswegs zur selben) Zeit Billa ihren Kaleschengaul durchs Cropliner Moor trieb. Marian hatte keine Ahnung, woran es lag, dass er dem Famulus diesmal viel besser als bisher seinen Willen aufzwingen konnte. Aber der Grund war ihm auch ziem lich egal – Hauptsache, Julian trödelte nicht herum, hütete sich vor Tagträumen, in denen Jungfer Hildegunde und er selbst romantische Hauptrollen spielten, und trabte unbeirrbar auf das Anwesen seines nächsten Kunden zu.
    Der stand auf Jungfer Hildegundes Liste ganz unten und wohnte Am Bannwald Nr. 2, gegenüber dem Logenhaus. Sein Name war Balthasar Müntzer und seinem Aussehen nach musste auch er die Hundert schon weit überschritten haben. Sein Schädel war vollständig kahl, an seinen Wangen, unter dem Kinn und eigentlich allerorten schlackerte viel zu viel lose Haut. Wahrscheinlich war er früher einmal von stattlicher Gestalt gewesen, heute jedoch war er von fleischloser Dürre, der reine Knochenmann. Der Famulus fürchtete sich ein wenig vor ihm, auch wenn der gewesene Archivarius ihn noch niemals grob angefahren hatte.
    Nun rannte Julian die Stufen zu seiner Haustür hoch und pochte mit dem schmiedeeisernen Klopfer wild dagegen. Ewigkeiten vergingen, bis Müntzer von irgendwo herbeigehumpelt kam und umständlich öffnete.
    »Gott zum Gruß, Herr Archivarius. Dies schickt Euch mein Herr.« Der Famulus drückte ihm seine beiden Tiegel mit »Lohenkamm’s Baldrianbalsam« in die Hände, wendete auf dem Absatz und wollte schon wieder die Treppe hinunterstürmen. Aber der alte Mann rief ihn zurück. Sein argwöhnischer Blick trieb Julian die Hitze in die Schläfen. Hatte Müntzer etwa gesehen, wie er vorletzte Nacht im Haus gegenüber eingestiegen war?
    Wenn er’s dem Apotheker verrät, setzt mich Lohenkamm vor die Tür, dachte der Famulus. Und wenn er gar mit dem Großmächtigen Meister plaudert, zerquetscht der mich wie eine Laus.
    »Na also«, sagte Müntzer, als Julian wieder vor ihm stand. »Warum denn so eilig, Kerl?«
    Julian stotterte irgendetwas, das weder Müntzer noch Marian verstanden.
    Der alte Mann runzelte die Stirn. »Richte Er Seinem Lehrvater aus, dem ehrenwerten Apotheker von Lohenkamm, dass sein Balsam vorzüglich anschlägt.«
    Julian starrte Löcher in die Luft neben Müntzers knochigem Schädel. »Der Trunk … wirkt also?«, stieß er schließlich hervor.
    »Aber wie Donner und

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