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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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der Golems doch noch verhindern kann. Piet ist verschwunden, also musst du das Buch selbst holen – bei deiner Seligkeit!
    Aber gerade als Julian sich in Bewegung setzen woll te, fing sein Gewissen aufs Neue an zu zetern: Halt, warte, Famulus! Vielleicht haben die Lichtträger oben in deiner Kammer Piet überwältigt. Und jetzt lauern sie dort im Dunkeln, weil sie sich denken können, dass du über kurz oder lang hinterherkommst!
    Julian erschrak bei diesem Gedanken. Unschlüssig blieb er hinter der Hausecke hocken. Vom Kirchplatz her nahte nun auch noch der Nachtwächter. Mit schollerndem Singsang rief der alte Mann: »Hört, ihr Leut’, und lasst euch sagen, Gottes Uhr hat zwölf geschlagen.«
    Julian wartete ungeduldig, bis der Wächter endlich mit seiner Laterne vorübergeschaukelt war. Sein Entschluss stand mittlerweile fest. Er konnte seinen Freund unmöglich im Stich lassen. Ich habe ihn dort hineingeschickt, sagte sich Julian, also muss ich nun auch nachschauen, was da drin passiert ist. Und ob er vielleicht meine Hilfe braucht.
    Er trat auf die Gasse hinaus, lief auf leise klappernden Sohlen am Apothekerhaus vorbei und in den Seitenhof. Doch zu seinem Erstaunen fand er die Gesindetür verschlossen und den Schlüssel auf dem Fenstersims – ganz so, als ob vor ihm an diesem Abend noch niemand das Haus betreten hätte. Kein Piet, keine Männer, die den Raben Julian ergreifen sollten.
    Wie war das möglich? Ratlos sah sich Julian um. Am hinteren Ende wurde der Seitenhof durch eine kaum mannshohe Mauer begrenzt. Der Hof dahinter gehörte zum städtischen Badehaus und war mit einem Labyrinth weiterer Höfe und Gärten verbunden. Möglich war es also schon, dass Piet sich einfach da hinten über die Mauer geschwungen hatte und in der Dunkelheit verschwunden war.
    Aber warum sollte sein Freund so etwas machen? Ein Schauder kroch Julian vom Nacken langsam abwärts. Die beiden Lichtträger mussten hier vor der Tür auf ihn gewartet haben, anders konnte es gar nicht sein. Sie hatten sich auf Piet gestürzt, weil sie glaubten, dass sie den Raben Julian vor sich hätten. Während die Kutsche vorübergedonnert war, konnte sich hier im Hof sogar ein richtiges Handgemenge abgespielt haben – unhörbar für Julian und jeden anderen Ohrenzeugen. Außerdem war es hier so dunkel, dass man kaum seine Hand vor Augen sah. Ehe die beiden Schmiede bemerken konnten, dass sie den Falschen erwischt hatten, musste Piet ihnen entkommen und über die Mauer hinweg geflohen sein – und die Brüder hinter ihm her.
    Während ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen, nahm der Famulus den Schlüssel vom Sims und riegelte die Tür auf. Ja, so muss es gewesen sein, dachte er. Piet hat bestimmt geglaubt, dass die beiden nach ihm suchten. Vom Bäckermeister Wulf ausgesandt oder sogar vom Hochehrenwerten Stadtrichter Bisskiel, weil er doch verdächtigt wurde, die Schatztruhe seines Lehrvaters ge plündert zu haben. Denn aus welchem Grund Julian sich lieber nicht im Apothekerhaus blicken lassen wollte, hatte er seinem Freund ja noch gar nicht erklärt.
    Auf Zehenspitzen schlich der Famulus die Treppe zu seiner Kammer hinauf. Seine Schuhe hielt er links und rechts in den Händen – bereit, mit den Holzsohlen Prügel auszuteilen, wenn irgendwer sich im Schutz der Dunkelheit auf ihn stürzen würde. Das Herz klopfte ihm hart und schnell in der Brust, aber er gelangte unbehelligt bis unters Dach hinauf. Dort zog er seine Tür auf und verharrte mehrere Augenblicke lang auf der Schwelle.
    Im Mondlicht lag die Kammer still und leer vor ihm. Das Strohlager, die Truhe, das Stehpult mit dem kleinen Bücherbord darüber – das war schon seine ganze Einrichtung. Unmöglich, dass sich hier irgendwer versteckte. Piet, falls der ihm wieder mal einen Streich spielen wollte, oder gar die Häscher von Meister Justus. Nicht mal die zarte Hildegunde hätte in seine Kleidertruhe gepasst.
    Julian trat ein und verriegelte hinter sich sorgfältig die Tür. Er war so müde, dass der Boden unter seinen Füßen scheinbar schwankte. Die Lichtträger würden doch heute Nacht wohl nicht noch einmal hier auftauchen, um nach ihm zu suchen. Bestimmt hatte Piet sie eine Weile lang in die Irre geführt, seine Verfolger irgendwann abgehängt und war dann zur moorgräflichen Schlossruine hinaus. Und Bardo und Benno Krummbiehl ahnten wahrscheinlich immer noch nicht, dass sie dem Falschen hinterhergerannt waren. Also würden sie annehmen, dass der Rabe Julian fluchtartig die

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