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Gößling, Andreas

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tzapalil - Im Bann des Jaguars
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metertief hinunter in ein natürliches Verlies. Für uns hinterm Altar. Die Jaguarpriester fauchten.
    Carmen kletterte hinab, Pedro taumelte hinterher. Die Leiter wurde hochgezogen. Ein Brett wurde über ihr Verlies geschoben. Schritte, die sich entfernten. Dann nur noch Stille und Dunkelheit.

13
     
    »Die Zwillinge haben uns reingelegt! Verstehst du das wirklich nicht, Pedro?« Es war zum Verzweifeln – ihre Lage sowieso, aber Pedros Begriffsstutzigkeit fast noch mehr. Wie konnten sie hoffen hier jemals wieder rauszukommen, wenn schon sie beide sich nicht mehr einig waren? Sie versuchte es aufs Neue. »Ixom und Kanaas haben uns mitgeschleppt und ihren Leuten ausgeliefert, damit wir hier die Sündenböcke für sie spielen. Damit wir die Strafe abkriegen, die eigentlich für sie bestimmt ist – warum kapierst du das denn nicht?«
    »Ich seh ja, was du meinst. Aber ich… ich weiß nicht recht.«
    Pedros Stimme klang apathisch. Zu sehen war sowieso gar nichts, höchstens ab und zu ein kümmerlicher Lichtschimmer, der durch das Brett zu ihnen herunterdrang.
    Am liebsten hätte Carmen im Dunkeln nach Pedros Armen getastet. Ihn gepackt und gerüttelt oder ihn umarmt und gespürt, wie er seine Arme um sie legte und sie fest an sich drückte. Aber eine seltsame Erstarrung hatte sie befallen – wie eine Statue hockte sie auf diesem Holzklotz vor der feuchten Felswand, die Ellbogen auf den Knien. Pedro schien unendlich weit weg. Dabei kauerte er vor der Wand ihr gegenüber am Boden, gerade mal zwei Schritte von ihr entfernt. Sie selbst war ja vorhin alles abgegangen, diese ganze verdammte Höhle. Immer die Wand entlang, die Arme im Dunkeln nach vorn gestreckt und vor jedem Schritt mit einem Fuß über den Boden tastend. Es war einfach ein dreckiges Loch im Felsen. Der Boden mit Moos überzogen, die Wände glitschig vor Nässe. In der hintersten Wand war ein rundes Loch, gerade groß genug, um durchzuschlüpfen – oder jemanden mit Gewalt hindurchzuzerren. Wenn ihr für uns hinterm Altar hockt. Warum konnte Pedro das nicht verstehen? Warum wollte er einfach nicht wahrhaben, wie schrecklich ihre Lage war. Ich will’s ja auch nicht!, dachte sie. Immer noch wurde ihr schlecht vor Angst, wenn sie an Ixoms Rücken dachte. An all diese Narben. Oder an die Striemen, die sich von Kanaas’ Nacken abwärts zogen.
    »Was war das eigentlich für eine Strafe, vor der die Zwillinge von hier abgehauen sind?« Carmen musste schlucken. »Ich meine – wurden sie geschlagen? Oder vielleicht ausgepeitscht, oder was?«
    Sie lauschte in die Dunkelheit. Doch da war nichts anderes zu hören als Pedros Atem und ab und zu ein gedämpfter Ruf von draußen.
    Aber sie durfte nicht lockerlassen. Sie musste Pedro zum Sprechen bringen – damit ihnen beiden klar wurde, was sie hier überhaupt erwartete, oder auch einfach deshalb, weil sie durchdrehen würde, wenn Pedro nicht mit ihr redete. »Aber die Zwillinge hatten doch gar nichts gemacht«, fuhr sie fort. »Wieso sind sie denn überhaupt bestraft worden – nur weil ihr Vater und ihr Onkel was angestellt haben?«
    »Na ja, sie haben nicht viel davon erzählt. Mir jedenfalls nicht.«
    Pedro schien schon wieder in Schweigen zu versinken. Doch nach ein paar Augenblicken sprach er mit gepresster Stimme weiter.
    »Einmal hab ich Großvater gefragt, was hier in Tzapalil mit den Zwillingen passiert ist. Viel hab ich auch aus ihm nicht rausgekriegt. Aber…«
    Carmen wartete. Nichts. »Aber?«, wiederholte sie. Immer noch nichts. »Was sagst du, Pedro? Ich hab’s nicht verstanden, weil du so leise geworden bist.«
    »Das war nicht einfach eine Strafe, weißt du?« Plötzlich sprang Pedro auf. Es kam so unerwartet, dass Carmen auf ihrem Holzklotz zusammenzuckte. Sie hörte seine nackten Füße durchs Moos patschen. Er hockte sich vor sie hin und nahm ihre Hände in seine.
    Seine Augen glänzten, seine Zähne schimmerten vor ihr im Dunkeln.
    »Ich versteh schon, was du mir die ganze Zeit sagen willst, Carmen.
    Aber…« Er verstummte schon wieder. Seine Augen wurden ganz groß und schienen sie flehentlich anzusehen.
    »Jetzt sag’s doch endlich!«, rief Carmen. »Ich halt das nicht mehr aus, herrje!«
    Von draußen ertönten ein dumpfer Ruf und lautes Stampfen. Mit angehaltenem Atem lauschten sie beide zu dem Brett über ihnen hinauf. Bestimmt stand oben vor ihrem Felsloch einer dieser finsteren Jaguarpriester und passte auf, dass sie nicht auch die Flucht ergriffen. Obwohl sie sich kaum vorstellen

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