Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gößling, Andreas

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tzapalil - Im Bann des Jaguars
Vom Netzwerk:
Handy, Schminkzeug und zerfleddertem Tagebuch endlich auch ihr Reisepass zum Vorschein kam.
    Langsam rückte die kleine Schlange vor dem Ankunftsschalter vorwärts. Carmens Eltern füllten Formulare aus und unterhielten sich flüsternd. Maria redete auf Georg ein, der sie am Arm berührte und sie offenbar zu beruhigen versuchte. Seltsam, dachte Carmen. Ihre Mutter flog doch seit vielen Jahren durch die halbe Welt. Was brachte sie hier so aus der Ruhe?
    Neben dem Schalter standen zwei weitere Soldaten mit Maschinenpistolen. Mit ihrer sandbraunen Uniform, der sehnigen Gestalt und olivfarbenen Haut sahen sie ziemlich einschüchternd aus. Aber diese Soldaten konnten ihnen doch nichts anhaben, oder? Ihre Eltern waren ja schließlich keine Schmuggler, die heimlich verbotene Dinge ins Land einschleusen wollten.
    So harmlos wie möglich schaute Carmen den Grenzbeamten an, als sie endlich ihren Pass vorzeigen durfte. »Weitergehen!« Der Uniformierte knallte ihre Papiere zurück auf den Tresen und wandte sich schon dem nächsten Reisenden zu. Na also, dachte Carmen.
    Kein Grund zur Aufregung. Sie raffte ihren Pass an sich und beeilte sich zu Georg aufzuschließen, der an der Gepäckausgabe bereits auf ihre Koffer wartete. Sonderbarerweise war von ihrer Mutter in der ganzen Halle keine Haarspitze zu sehen.
    »Wo ist Maria?« Das Förderband drehte sich mit eintönigem Rattern leer im Kreis. Die Reisenden aus Cancún hatten sich allesamt vor dem Band aufgestellt und starrten auf den Plastikvorhang, durch den gleich ihre Koffer und sonstigen Habseligkeiten hervorpurzeln mussten. »Sag schon, Georg – was ist mit ihr?«
    »Sie kommt gleich.« Georg sah mit halb geschlossenen Augen an ihr vorbei. Sein langes, schmales Gesicht war grau vor Müdigkeit.
    Kein Wunder, dachte Carmen, aber warum schaute er sich nur andauernd so verstohlen um?
    Sie folgte seinem Blick. Der Steinboden war abgewetzt, aber blitzblank geschrubbt. Trotzdem waren in der kleinen Halle ganze Putzgeschwader unterwegs – kleine, zierliche Männer, die mit großen Besen unsichtbaren Schmutz zusammenkehrten, und kleine, stämmige Frauen, die sich mit Schrubbern und Putzeimern zu schaffen machten. Und dort hinten, aus einer Tür mit der Aufschrift »Telefone – Waschräume – Toiletten«, kam eben auch Maria hervor.
    Ach so, dachte Carmen. Oder doch nicht? Einen Wimpernschlag nach Maria trat ein zierlicher, dunkelhäutiger Mann aus derselben Tür. Carmen kniff die Augen zusammen. Hatte der Mann im hellen Anzug – offenbar ein Einheimischer – ihrer Mutter nicht gerade zugenickt? Nein, bestimmt hatte sie sich das nur eingebildet. Warum sollte Maria an irgendwelchen verschwörerischen Treffen teilnehmen, kaum dass sie in Guatemala gelandet waren?
    Ein dumpfes Rumpeln ließ Carmen herumfahren. Der Plastikvorhang flog zur Seite und ein erster Koffer knallte auf das Förderband.
    Als sie sich wieder zu ihrer Mutter umwandte, hatte sich der geheimnisvolle Mann in einen stämmigen Kofferträger verwandelt.
    Neben Maria eilte er auf Georg und Carmen zu und schob einen schlingernden Gepäckwagen vor sich her. Er trug Jeans und ein kariertes Hemd und hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem zierlichen Herrn im hellen Anzug, den sie vor einer Sekunde gesehen hatte.
    Und von dem nun keine Spur mehr zu entdecken war.
    Ich bin so müde, dass ich schon Gespenster sehe, dachte Carmen.
    Tatenlos schaute sie zu, wie Georg und der Kofferträger ihre Gepäckstücke auf den Wagen hievten. In ihren Koffern waren nur die nötigsten Sachen für die ersten Tage. Ihr eigentlicher Hausrat – Kleider, Geschirr, vor allem aber Georgs und Marias riesige Bibliothek – würde in einem Containerflugzeug den Atlantik überqueren und in einigen Tagen direkt zu ihnen nach Hause gebracht werden.
    Nach Hause, dachte Carmen und musste schlucken. Ich hab doch gar kein Zuhause mehr! Sie spürte ein Brennen in der Kehle und holte rasch ihr Handy hervor. Sie konnte ja Lena schon mal eine SMS schicken, wie sie es ausgemacht hatten. Gerade gelandet, Carmen.
    Im Flugzeug war es nicht erlaubt gewesen, das Gerät zu benutzen. Sie schaltete es an und tippte ihren Pin-Code ein. Nichts.
    »Kommst du, Carmen?«
    »Sofort.« Sie schüttelte das Telefon. Nichts. Der Akku war geladen, aber trotzdem blieb das Display leer.
    »Liebes, das hat doch noch Zeit«, sagte ihr Vater.
    Sie drückte die Wähltaste. Das Handy stieß einen Quäkton aus und auf dem Display erschien der Schriftzug »Keine Verbindung«.
     
    Als sie

Weitere Kostenlose Bücher