Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Schätzen der Erde hinabsteigt, durch die jene tiefliegende Gaben der Natur an das Tageslicht gefördert werden sollen. Wir selbst können noch
〈...〉
das, was wir uns jetzt nur im Geiste vorstellen, mit der größten Freude vor uns sehen und betrachten.
Es war bei Goethes Rede zu einem wunderlichen Zwischenfall gekommen, an den sich ein Ohren- und Augenzeuge fast fünfzig Jahre später deutlich erinnerte. »Er 〈Goethe〉 schien seine Rede gut im Kopfe zu haben, denn er sprach eine Zeit lang ohne allen Anstoß und vollkommen geläufig. Mit einemmal aber schien er wie von seinem guten Geist gänzlich verlassen, der Faden seiner Gedanken war wie abgeschnitten und er schien den Überblick des ferner zu Sagenden gänzlich verloren zu haben. Dies hätte jeden Andern in große Verlegenheit gesetzt; ihn aber keineswegs. Er blickte vielmehr, wenigstens zehn Minuten lang, fest und ruhig in dem Kreise seiner zahlreichen Zuhörer umher, die durch die Macht seiner Persönlichkeit wie gebannt waren, so daß während der sehr langen, ja fast lächerlichen Pause Jeder vollkommen ruhig blieb. Endlich schien er wieder Herr seines Gegenstandes geworden zu sein, er fuhr in seiner Rede fort und führte sie sehr geschickt ohne Anstoß bis zu Ende, und zwar so frei und heiter, als ob gar nichts passiert wäre.«
Dieser Aussetzer war vielleicht doch ein ungünstiger Vorbote. Noch vor der Abreise nach Italien benötigten die Stollenbetreiber eine weitere Kapitalspritze, Goethe mußte die Anleger beruhigen und weitere gewinnen, was ihm die Stimmung zusätzlich verdarb. In Italien hoffte er vergeblich auf gute Nachrichten aus Ilmenau. Erst 1792 stieß man endlich zu dem ersten erzhaltigen Flöz vor, das aber, wie sich bald herausstellte, von minderer Qualität war. Den Durchbruch zu einem neuen Flöz verhinderte 1796 ein katastrophaler Wassereinbruch, bei dem auch Bergleute ums Leben kamen. Doch man gab die Sache noch nicht auf. Ein Schacht blieb bis 1812 geöffnet. Dann erst wurde das Bergwerk endgültig stillgelegt. Ökonomisch gesehen war das Unternehmen ein Fiasko, es hatte sehr viel Geld verschlungen und nichts eingebracht. Goethe, der hier seine Leidenschaft für Mineralien entdeckte, erlebte das Ende von Ilmenau auch als persönliche Niederlage. In einer in der Dritten Person verfaßten »Selbstschilderung« aus dem Jahr 1797 heißt es:
in Geschäften ist er brauchbar wenn dasselbe einer gewissen Folge bedarf und zuletzt auf irgend eine Weise ein dauerndes Werk daraus entspringt.
Hartnäckig hatte Goethe das Geschäft in Ilmenau verfolgt, aber zu einem
dauernden Werk
war es ihm nicht geraten.
Auch sonst fehlten seinem amtlichen Wirken die Erfolgserlebnisse. In den Briefen verwendet er die mythologischen Bilder von Sisyphos, der den Stein vergeblich den Berg hinaufrollt, von Ixion, der das in sich kreisende Rad antreibt und vom Danaidenfaß ohne Boden. Einmal schreibt er an Knebel, er habe gedacht, er brauche das Boot nur zu steuern, jetzt wisse er, daß er es den Fluß hinaufschleppen müsse.
Auch kleinlicher Ärger und Sticheleien blieben nicht aus. Mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Geheimen Consiliums, dem Freiherrn von Fritsch, einst ein Gegner von Goethes Berufung und wohl auch ein Modell für den Antonio, gelang zwar ein höfliches Auskommen, doch die alten Animositäten kamen immer wieder zum Vorschein. Zum Beispiel, als Goethe bei einer Sitzung des Gremiums die Mitarbeiter der Finanzkammer, die er beaufsichtigte, als
meine Herrn Cameralen
bezeichnete. Frisch mißbilligte das, es handle sich allenfalls um die Cameralen des Herzogs, erklärte er. Umständlich und schulmeisterlich verteidigte sich Goethe in einem langen Brief mit Hinweis auf den üblichen Sprachgebrauch.
Man bedient sich des Wortes
mein
um ein Verhältnis zu Personen und Sachen anzuzeigen, mit denen man aus Neigung oder Pflicht verbunden ist, ohne sich darüber eine Herrschaft oder Eigentum anzumaßen.
Hier also verteidigte er den üblichen Sprachgebrauch gegen den Amtsstil. Ein andermal aber nimmt er Partei für den Amtsstil gegen die umgangssprachliche Auflockerung. Die Sprache der Kanzlei sei
pedantisch
und zwar mit Recht, denn dadurch, erklärte er, würden sich die amtlichen Vorgänge verlangsamen, und das ist gut so, denn
Eile ist eine Feindin der Ordnung
.
Mit solchen und mit gewichtigeren Fragen wie denen des Wegebaus, der Finanzen, der Steuerunterschlagung oder der Verurteilung einer Kindsmörderin schlug sich Goethe herum, und solcher
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