Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
manche anders und spotteten darüber. Einer der Hofleute, Karl von Lyncker, schreibt: »Possierlicherweise hatte das Hofpferd, auf welchem Goethe 〈...〉 umherritt, den Stallnamen ›Poesie‹ erhalten, und, wo dieses Pferd mit seinem geistreichen Reiter erschien, da, sagte man, gab es wunderbare Veranstaltungen.«
1782 war Goethe auf dem Gipfel seiner Amtskarriere. Er hatte alles erreicht, was ein Bürgerlicher in Weimar erreichen konnte. Mehr Antonio war nicht möglich. Er war »Wirklicher Geheimer Rat«, inzwischen geadelt und somit berechtigt, auch offiziell an der Hoftafel zu speisen. Als ständigem Mitglied des Geheimen Consiliums unterstanden ihm das Militärwesen und der Wegebau, sowie der Bergbau in Ilmenau. Nach dem Ausscheiden des Kammerpräsidenten Kalb beaufsichtigte er darüber hinaus die Finanzen. Er war Direktor der Zeichenakademie und kümmerte sich, als eine Art Maître de plaisir, um die künstlerische Ausgestaltung der Festivitäten. Seit Juni 1782 bewohnte er das standesgemäße Haus am Frauenplan, vorerst noch zur Miete.
Sehr viel konnte Goethe in seiner Amtstätigkeit nicht bewirken. Den größten Erfolg hatte er beim Militärwesen. Noch 1778 hatte der Herzog die Streitkräfte auf über 500 Mann aufgestockt, sich selbst zu ihrem Oberbefehlshaber ernannt und regelmäßig mit ihnen exerziert. Als das Herzogtum Anfang der achtziger Jahre vor dem Staatsbankrott stand, war es Goethe, der eine massive Reduzierung auf ein Häuflein von 136 Mann durchsetzte. Die Staatskasse war vorläufig saniert, der Herzog jedoch hatte sein Kriegsspielzeug verloren und wandte sich daraufhin der Außenpolitik zu, indem er energisch das Projekt eines Fürstenbundes der Mittelmächte betrieb. Goethe, der das 1779 ebenfalls favorisiert hatte, zog sich in dem Maße davon zurück, wie Preußen darin die Vorherrschaft übernahm und danach strebte, den Bund im Sinne seiner gegen Wien gerichteten Interessen zu instrumentalisieren. Seine militärischen Leidenschaften konnte der Herzog nun im Schlepptau Preußens befriedigen: als Generalmajor durfte er ein preußisches Truppenkontingent kommandieren, und 1787 war er in politischer Mission in Belgien und Holland, wo die Bürger sich gegen Habsburg erhoben hatten, wie einst zu Egmonts Zeiten. Das war genau der Moment, als Goethe im fernen Italien seinen »Egmont« fertigstellte. In Goethes Version bewegt Egmont eher die Frauenherzen als die Soldaten. Deshalb war der Herzog, der sonst den Frauenherzen durchaus zugetan war (bei der Exkursion nach Holland holte er sich einen Tripper), unzufrieden mit dem Stück. Er hatte sich Egmont als einen tüchtigen Soldaten gewünscht.
Goethe war zwar bei der militärischen Abrüstung erfolgreich, mit seinen anderen Vorhaben indes weniger. Weimar, die heimliche Hauptstadt der Kultur, lag auch weiterhin verkehrstechnisch im toten Winkel. Goethe wollte das ändern. Er ließ den Ausbau der Straßenverbindung von Erfurt nach Weimar und nach Jena in Angriff nehmen, und darüber hinaus sollte eine neue Strecke nach Naumburg gebaut werden. Die Pläne waren anspruchsvoll, die mehrschichtig konzipierten Trassen sollten dem englischen Standard entsprechen. Doch man kam nicht gut voran. Als Goethe nach Italien ging, war nach vierjähriger Bauzeit noch nichts fertig, doch der Etat so weit überzogen, daß an Weiterbau vorerst nicht gedacht werden konnte, für den Leiter der Wegebaukommission eigentlich eine Bankrotterklärung.
Auch der Bergbau von Ilmenau, dessen Wiederinbetriebnahme für Goethe eine Herzenssache war, erwies sich als großer Fehlschlag. Im Februar 1784 war der Beginn der Niederbringung eines neuen Schachtes feierlich eröffnet worden. Goethe hatte die Festrede gehalten, die im selben Jahr in der literarischen Zeitschrift »Deutsches Museum« abgedruckt wurde. Es war nach acht Jahren überhaupt die erste Veröffentlichung eines neuen Textes von Goethe, weshalb der Herausgeber bemerkte: »Unser Publikum hat schon lange nichts mehr von seinem Lieblingsschriftsteller Göthe, erhalten; aber er hat die Feder niedergelegt, um zu handeln.«
Goethe hatte sich seine Rückkehr in die literarische Öffentlichkeit gewiß anders vorgestellt, aber die Sache selbst war ihm höchst bedeutsam.
Lassen Sie uns also
, so sprach er,
die geringe Öffnung, die wir heute in die Oberfläche der Erde machen werden, nicht mit gleichgiltigen Augen ansehen
〈...〉
Dieser Schacht, den wir heute eröffnen, soll die Türe werden, durch die man zu den verborgenen
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