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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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fehlen
〈...〉,
während du den Eingang suchst und mit deinem Unterleib dich dem unter dir liegenden Leib zärtlich zuwendest
. Es kommen dann noch andere Götter und Göttinnen zu Hilfe, bis der Same an den rechten Ort geleitet ist und vielleicht auch neues Leben entsteht.
    Goethe schrieb diese Texte in den Wochen, als er sich darauf vorbereitete, zum ersten Mal selbst Vater zu werden. Christiane war schwanger. Goethe bekannte sich zu seiner Vaterschaft und war bereit, die Geliebte in Haus am Frauenplan aufzunehmen. Das kann man der Gesellschaft von Weimar denn doch nicht zumuten, denkt der Herzog, und bietet seinem Freund und der hochschwangeren Christiane als Wohnsitz die beiden Jägerhäuser vor den Toren der Stadt an. Dort lebt man nicht auf dem Präsentierteller. Die Jägerhäuser waren zwar praktisch und angenehm zu bewohnen, wie Goethe mehrfach beteuert, aber es handelte sich doch um eine Art Deklassierung, die in den Briefen allerdings nicht zur Sprache kam und nur daran bemerkbar wurde, wie entschlossen und erfreut Goethe später die Gelegenheit nutzte, wieder ins Haus am Frauenplan zurückkehren zu können. Doch einstweilen macht Goethe gute Miene. Launig berichtet er dem Herzog von seinem Umzug:
Ich manövriere mich immer sachte ins neue Quartier. Das schwere Geschütz ist voraus, das Korps ist in Bewegung und ich decke die Arrieregarde
. Das
schwere Geschütz
meint wohl die hochschwangere Christiane, das
Korps
ihr Anhang bestehend aus Tante und Stiefschwester, die
Arrieregarde
die Dienerschaft. So zieht man hinaus vors Tor.
    Am 25. Dezember 1789 die Geburt. August wird das Kind genannt. Zwei Tage später, am Tag der Taufe, schreibt Goethe an seinen Amtskollegen Voigt:
Eine in eben diesem Momente vollbrachte heilige Handlung erinnert mich aufs neue an die Gefälligkeit, womit Sie mir vor einem halben Jahre in re incerta beistehen wollten.
Es gibt die Vermutung, daß sich dieser Dank auf Voigts Bereitschaft bezieht, die unangenehmen bürokratischen Aspekte einer unehelichen Geburt von dem Elternpaar fernzuhalten. Denn eigentlich hätte Christiane nach geltenden Rechtsvorschriften bestraft werden müssen mit Geldstrafen, öffentlicher Abmahnung, Kirchenbuße. In besonderen Fällen konnten sogar die Väter zur Rechenschaft gezogen werden. Es gab also einiges zu regeln, um einen möglichen Skandal abzuwehren.
    Als Christiane im Herbst 1788 noch heimlich ins Haus am Frauenplan schlich, hatte Goethe einen neuen Nachbarn bekommen, der von alledem nichts bemerkte: Friedrich Schiller. Schiller war im Juli 1787 nach Weimar gekommen, um zu erkunden, ob er an diesem Ort leben könnte. Da der Herzog ihm einige Jahre zuvor den Ratstitel verliehen hatte, hoffte er auf irgendein bezahltes Amt; ein so lukratives, wie es Goethe besaß, lag natürlich jenseits seiner Erwartungen. Schiller war ehrgeizig genug, um sich in Weimar mit den hiesigen »Göttern und Götzendienern« messen zu wollen. Nach den ersten Begegnungen mit Herder und Wieland notierte er: »Ich habe mich selbst für zu klein und die Menschen umher für zu groß gehalten.« Doch der eigentliche Maßstab war Goethe, und der war noch in Italien. Wie andere in Weimar, wartete nun auch Schiller, der in Nachbarschaft zum Haus am Frauenplan Quartier bezogen hatte, auf Goethes Rückkehr.
    Zur ersten Begegnung kam es im Hause der Lengefelds in Rudolstadt. Schiller war dort gerade zu Besuch bei Charlotte von Lengefeld, seiner späteren Frau. Sie war eine Patentochter der Frau von Stein und unterhielt eine halb familiäre Beziehung zu Goethe. Ihr gelang es, das erste Treffen einzufädeln. Es war der 7. September 1788, als Goethe in Begleitung Charlotte von Steins, ihrer Schwester und Herders Frau die Lengefelds und deren Gäste besuchte. Für Schiller verlief diese Begegnung enttäuschend: »Freilich war die Gesellschaft zu groß und Alles auf seinen Umgang zu eifersüchtig, als daß ich viel allein mit ihm hätte sein oder etwas anders als allgemeine Dinge mit ihm sprechen können«, berichtet er in einem Brief an Körner. Goethe hat diese erste Begegnung nirgendwo kommentiert, sie war ihm im Moment offenbar noch nicht so wichtig. Außerdem gab es da einen Vorbehalt gegen Schiller. Er sei, wie er später erzählte, erschrocken gewesen über das hohe Ansehen, das Schiller in der Öffentlichkeit genoß. Immer noch seien ihm die »Räuber« verhaßt gewesen, und Schiller war für ihn eben nichts anderes als der Autor dieses Stückes,
ein kraftvolles, aber unreifes

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