Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Talent,
das gerade die
ethischen und theatralischen Paradoxen von denen ich mich zu reinigen gestrebt, recht im vollen hinreißenden Strome über das Vaterland ausgegossen hatte.
Diese Ablehnung hatte Schiller damals bei der ersten Begegnung gespürt, und sie hatte ihn gekränkt – mehr als er sich eingestand. In den folgenden Monaten mußte Schiller aus nächster Nähe bemerken, wie bei Goethe die Gäste ein und aus gehen, er selbst aber auf Distanz gehalten wird. Der Groll wächst und macht sich schließlich in einem Brief an Körner Luft: »Öfters um Goethe zu sein, würde mich unglücklich machen: er hat auch gegen seine nächsten Freunde kein Moment der Ergießung, er ist an nichts zu fassen; ich glaube in der Tat, er ist ein Egoist in ungewöhnlichem Grade. Er besitzt das Talent, die Menschen zu fesseln 〈...〉; aber sich selbst weiß er immer frei zu behalten. Er macht seine Existenz wohltätig kund, aber nur wie ein Gott, ohne sich selbst zu geben 〈...〉. Ein solches Wesen sollten die Menschen nicht um sich herum aufkommen lassen. Mir ist er dadurch verhaßt, ob ich gleich seinen Geist von ganzem Herzen liebe und groß von ihm denke. Ich betrachte ihn wie eine stolze Prüde, der man ein Kind machen muß, um sie vor der Welt zu demütigen.« Schiller war zwischen Liebe und Haß hin und her gerissen. Die Liebe bezog sich auf das Werk, der Haß auf die, so meinte er, vom Schicksal begünstigte Art, wie es zustande kam. »Dieser Mensch, dieser Goethe ist mir einmal im Wege, und er erinnert mich so oft, daß das Schicksal mich hart behandelt hat. Wie leicht ward sein Genie von seinem Schicksal getragen, und wie muß ich bis auf diese Minute noch kämpfen!«
Schillers Ressentiment Goethe gegenüber wurde auch nicht dadurch gemildert, daß er auf Goethes Initiative hin den Ruf auf einen Lehrstuhl in Jena erhielt. Im Gegenteil. Er fühlte sich »übertölpelt«, als er erfuhr, daß es sich um eine unbezahlte Professur handelte. Sollte er sich geehrt oder gekränkt fühlen? Körner warnte Schiller: »aber soviel muß ich Dir doch sagen, daß Jena an Dir und Du nicht an dem Professorentitel eine Akquisition machst.« Körner hatte es richtig getroffen, denn tatsächlich schrieb Goethe an das Geheime Consilium, man möge Schiller berufen,
besonders da diese Akquisition ohne Aufwand zu machen ist.
Schiller zog im Sommer 1789 nach Jena. Er versuchte mit seinen ambivalenten Gefühlen gegenüber Goethe fertig zu werden. Daß er sich mit Neidgefühlen selbst vergiften würde, wußte er. Er mußte einen Weg finden sie zu überwinden. Das war ihm nur möglich, wenn er an sich selbst glaubte und unbeirrt seinen Weg ging. So legte er sich seine Strategie für die nächsten Jahre zurecht: Schiller wird von Jena aus, wo er einen außerordentlichen Lehrerfolg hat, wie von Ferne zu Goethe hinüberblicken und dabei weiter an sich arbeiten, fest die eigenen Ziele im Auge behaltend und darauf hoffend, daß sich dereinst vielleicht ein Zusammenwirken auf einer gemeinsamen Bühne ergeben könnte. Nur nicht zu viel Absichtlichkeit, man trifft am besten, wenn man nicht zielt.
Bei Goethe war es anders. Er fühlte sich von Schiller noch nicht herausgefordert, er war erst dabei, die Vorzüge des Jüngeren nach und nach zu entdecken. Das Gedicht »Die Götter Griechenlands« zum Beispiel sagte ihm so zu, daß er es bei einer Kutschenfahrt in seiner bisweilen lehrhaften Art den Begleiterinnen Strophe für Strophe nacherzählte. Auch Schillers »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung« rühmte er als kraftvolle, stilistisch glänzende Geschichtsschreibung. Über Schillers Rezension des »Egmont«, worin vieles gelobt der Schluß aber als »salto mortale in eine Opernwelt« getadelt wird, schreibt Goethe an den Herzog, der
sittliche Teil des Stücks
werde
gar gut zergliedert. Was den poetischen Teil betrifft; möchte Rezensent andern noch etwas zurückgelassen haben.
Goethe behielt Schiller im Auge, er konnte dessen herausragende Rolle im literarischen Leben schwerlich ignorieren, aber er hielt ihn auf Distanz, so wie er überhaupt, noch mehr als früher, auf Abstand achtete. Man hatte anderes erwartet. Die Briefe aus Italien verhießen Lockerungen im persönlichen Umgang. Statt dessen gab er sich nun noch vorsichtiger und zurückhaltender. Hier spielt das zunächst verheimlichte Verhältnis mit Christiane herein, was eine Art Doppelleben zur Folge hatte. So konnte Karoline Herder den Eindruck
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