Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
akademische Wesen mit einen solchen leichtsinn daß er alles das gute was er bei seinen häufigen anwesenheiten zu Jena stiften könnte, unterlässet; er könnte leichter wie jemand wissen was jene schäckers lehren, uns davon avertieren, und ihnen selbst zuweilen einreden und sie durch vermahnungen in der ordnung halten 〈...〉 So aber findet er die sudeligen charmant und das Volk glaubt man approbiere sie, wenn sie alles so genannte positive 〈...〉 zum fenster hinaus werfen 〈...〉 Mit Göthen kann ich gar nicht mehr über diese Sache reden, denn er verliert sich gleich dabei in eine so wort- und Sophismen reiche discussion daß mir alle Geduld ausgeht«. Goethe habe sich, schreibt er weiter, von diesen Leuten umschmeicheln lassen, und darum sei er ihnen zu Willen. Das müsse nun endlich einmal aufhören.
Goethe, dem Voigt diese Standpauke zu lesen gab, reagierte gelassen, äußerlich wenigstens.
Serenissimi Strafrede
〈...〉
ist gut gedacht und geschrieben.
Doch er spürte die Verpflichtung, dem Herzog auf einem anderen Gebiet entgegenkommen zu müssen. Deshalb also die Übersetzung von Voltaires »Mahomet« in einem Augenblick, da er über die
Ermangelung des Gefühls eigner Produktion
klagte. Leicht fiel ihm die Arbeit nicht, denn sein Bild von Mohammed war von dem voltaireschen doch sehr verschieden.
Für Goethe war Mohammed nicht, wie bei Voltaire, ein Betrüger, sondern ein großer, inspirierter Mensch, an dessen Beispiel sich die ansteckende Wirkung einer starken Inspiration studieren läßt. Goethes Wertschätzung Mohammeds stand im Kontrast zu der im achtzehnten Jahrhundert weitgehend feindseligen Literatur über den Begründer des Islam. Es war dies die polemische Tradition, der auch Voltaires Stück zuzurechnen ist. Erst Aufklärer wie Leibniz, Lessing und später Herder traten für eine gerechtere Beurteilung der nichtchristlichen Religionen ein. Aber diese Stimmen konnten sich nicht durchsetzen. In seiner Jugend hatte Goethe, wie bereits dargestellt, den Hymnus »Mahomets Gesang« gedichtet, darin Mohammed als geistiger Führer der Menschheit gefeiert wird in der Metapher des Stromes, der von kleinsten Anfängen ins Riesenhafte wächst und sich endlich in den Ozean, das Symbol einer umfassenden Gottheit, ergießt. Mohammed – ein gottbeseelter Genius der Menschheit. Noch der Siebzigjährige wird im »West-östlichen Divan« mit provozierendem Nachdruck bekennen, er trage sich mit dem Gedanken,
ehrfurchtsvoll jene heilige Nacht
zu feiern
, wo der Koran vollständig dem Propheten von obenher gebracht ward
. Es blieb für Goethe zeitlebens verlockend, sich in einen Propheten hineinzuversetzen, vielleicht weil er sich selbst bisweilen auch für einen hielt, und zwar im Sinne eines Paralipomenons zum »West-östlichen Divan«:
Wunder kann ich nicht tun sagt der Prophete, / Das größte Wunder ist daß ich bin
. Das kommt der eigenen Selbsteinschätzung ziemlich nahe. Selbstverständlich gab es auch kritische Distanz. Goethes weiche Naturfrömmigkeit stand der harten Gesetzesfrömmigkeit Mohammeds fern. Der mohammedanische
Religionspatriotismus
war ihm zuwider, wie jeder beschränkte Patriotismus. Der Fanatismus der Religion war ihm ebenso verhaßt wie Voltaire.
Goethe konnte bei seiner Bearbeitung die Gestalt Mohammeds nicht so aufhellen, wie er sich das gewünscht hatte. Er blieb eine düstere, fragwürdige Figur. Zwar kein Betrüger und Verbrecher, wie bei Voltaire, doch sehr wohl eine dämonische Gestalt. Es ist die leidenschaftliche Liebe, die bei ihm einen dämonischen Furor entfacht. Um Palmire zu gewinnen, reißt er ganze Völker ins Verderben:
Für alles tröstet mich die Liebe. Sie allein, / Sie ist mein Lohn, der Arbeit einz’ger Zweck
. Aus leidenschaftlicher Liebe, nicht aus Machtstreben wie bei Voltaire, geht Goethes Mohammed über Leichen. Goethe gab der Sprechweise der Personen eine gewisse Wärme und Geschmeidigkeit. Den französischen Alexandriner gab er mit dem flexibleren deutschen Blankvers wieder. Am Ende war er zufrieden mit seiner Arbeit, vor allem hielt er sie für nützlich in Bezug auf die Durchsetzung der Weimarischen Dramaturgie:
Die Notwendigkeit
, schrieb er in den »Propyläen«,
unser tragisches Theater, durch Versifikation, von dem Lustspiel und Drama zu entfernen wird immer mehr gefühlt werden
.
Bei Hofe war man entzückt von Goethes Übersetzungswerk. Es wurde gefeiert wie keines seiner eigenen dramatischen Werke. Auf mehreren Soireen las Goethe vor. So
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