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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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feierte der Adel die Wiederbelebung der klassischen französischen Kultursuprematie. Die beiden »Mahomet«-Lesungen im illustren Kreis hatten einen demonstrativen Charakter und konnten als Teil der höfischen Restauration gelten, wie Fichtes Entlassung kurz zuvor oder das Verbot der Jenaischen bürgerlichen Liebhaberbühne, was auch in diese Zeit fiel.
    Auf der Bühne war der Erfolg des Stückes weniger glänzend. Das bürgerliche Publikum, auf Wirklichkeitsnähe erpicht, murrte ebenso wie die Patrioten, denen alles Französische zuwider war, und die Romantiker, die mit der, wie Jean Paul es nannte, »unpoetischen Zeremonialbühne« wenig anfangen konnten. Als Goethe im Sommer 1800 nach »Mahomet« nun auch Voltaires »Tancred« zu übersetzen begann, wieder
in Ermangelung des Gefühls eigner Produktion
, da bedrängte ihn Schiller mit seinem ›ceterum censeo‹, er möge sich doch endlich wieder an den »Faust« machen. Diesmal steckte sich Schiller hinter den Verleger Cotta, dem er empfahl, sich Goethes »Faust« zu sichern und den Autor zum Schreiben zu verlocken mit dem Angebot eines horrend hohen Honorars (4000 Taler). Das Manöver gelang. Goethe, der sich ja wegen des »Propyläen«-Mißerfolgs in Cottas Schuld fühlte, ging erneut ans Faust-Werk und kam sogar in Stimmung, wofür er sich bei Schiller, der die Sache eingefädelt hatte, bedankte.
    Im Sommer 1800 führte Goethe zunächst einige Szenen der »Walpurgisnacht« aus und widmete sich dann, passend zu der »Propyläen«-Periode, dem »Helena«-Akt. Triumphierend berichtet er Schiller:
Meine
Helena
ist wirklich aufgetreten
. Es handelt sich um jene Szene aus dem zweiten Teil des »Faust« die im alten Sparta spielt. Die von Paris geraubte Helena kehrt befreit aus Troja zurück. Ihr Gemahl Menelaos hat sie vorausgeschickt, den Palast wieder in Besitz zu nehmen. Doch in dem verlassenen Gemäuer findet sie nicht ihre Dienerinnen und Gehilfen, sondern Phorkyas, ein Wesen von entsetzlicher Häßlichkeit, wie ein Gorgonenhaupt oder eine Medusa. Faust sollte auf der Suche nach der vollkommenen Schönheit dem absolut Gräßlichen begegnen. Und hier nun zögert Goethe.
Nun zieht mich aber das Schöne in der Lage meiner Heldin so sehr an
,
daß es mich betrübt wenn ich es zunächst in eine Fratze verwandeln soll
. Damit ist nicht nur Phorkyas angesprochen, hinter deren Maske sich Mephisto verbirgt, sondern grundsätzlich das Problem der Verbindung des Klassisch-Antiken und des Faustisch-Dämonischen, des Formvollendeten und des Formlosen auf dem
Dunst und Nebelweg
.
    Schiller, von Goethes Zögern alarmiert, schreibt ihm einen aufmunternden Brief, worin erstmals vom Plan der Zweiteilung des »Faust« ausdrücklich die Rede ist: »Lassen Sie Sich aber ja nicht durch den Gedanken stören, wenn die schönen Gestalten und Situationen kommen, daß es Schade sei, sie zu verbarbarisieren. Der Fall könnte Ihnen im 2ten Teil des Faust noch öfters vorkommen, und es möchte einmal für allemal gut sein, Ihr poetisches Gewissen darüber zum Schweigen zu bringen. 〈...〉 Es ist ein sehr bedeutender Vorteil, von dem Reinen mit Bewußtsein ins Unreinere zu gehen, anstatt von dem Unreinen einen Aufschwung zum Reinen zu suchen wie bei uns übrigen Barbaren der Fall ist. Sie müssen also in Ihrem Faust überall Ihr
Faustrecht
behaupten.«
    Goethe gefiel das Wortspiel des Freundes ausnehmend gut. Er wird sein »Faustrecht« noch einige Male benutzen, besonders wenn ihm die Leute in den Ohren lagen mit der Bitte, er möge den »Faust« doch endlich abschließen. Ehe er im Frühjahr 1801 die Arbeit daran wieder abbrach, entwarf er noch eine »Abkündigung«, worin er nachdrücklich das Faustrecht des Fragmentarischen behauptete:
Den besten Köpfen sei das Stück empfohlen! /
〈...〉
/ Des Menschen Leben ist ein ähnliches Gedicht: / Es hat wohl Anfang, hat ein Ende, / Allein ein Ganzes ist es nicht.
    Anmerkungen

Fünfundzwanzigstes Kapitel
    Unter Romantikern. Mit Schelling. Todkrank. Zurück ins Leben.
    Eine Bilanz der revolutionären Epoche: »Die natürliche Tochter«.
    Parteiengezänk. Ärger mit Kotzebue. Verstimmung und
    Wiederherstellung der Freundschaft mit Schiller. Schillers Tod.
    Seit der Rückkehr aus der Schweiz hatte sich ein neues Verhältnis angesponnen zwischen Goethe und dem Kreis der jungen Romantiker um die Brüder Schlegel. Die Schlegels hatten sich bereits einen beträchtlichen Ruf als scharfzüngige und feinsinnige literarische Kritiker erworben. August

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