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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Eifersucht auf alles, was sich ihr naht oder ihr nahe ist. Egle zu Amine über die Eifersucht des Verliebten:
Kein Wunder
,
daß er Dich bei keinem Feste leidet, / Da er der Wiese Gras um Deine Tritte neidet, / Den Vogel den Du liebst als Nebenbuhler haßt.
Eridons Eifersucht quält Amine, aber sie ist ehrlich genug sich einzugestehen, daß ihr Stolz doch auch befriedigt wird:
Ich seh’ an diesem Neid, wie mich mein Liebster schätzt / Und meinem kleinen Stolz wird alle Qual ersetzt.
Die Freundin hält das für Selbstbetrug:
Kind, ich bedaure Dich, Du bist nicht mehr zu retten, / Da Du Dein Elend liebst, Du klirrst mit deinen Ketten / Und überredest Dich, es sei Musik.
    In Eridon hatte Goethe die eigene Eifersucht gespiegelt, um so bemerkenswerter ist, wie wenig sympathisch diese Figur erscheint, die den anderen, vor allem der Geliebten, auf die Nerven fällt. Amine klagt über Eridon, diesen herrschsüchtigen, hypochondrischen, oft übelgelaunten Gesellen:
Wirft er mir etwas vor, fängt er an mich zu plagen, / So darf ich nur ein Wort, ein gutes Wort nur sagen, / Gleich ist er umgekehrt, die wilde Zanksucht flieht, / Und er weint oft mit mir, wenn er mich weinen sieht, / Fällt zärtlich vor mir hin, und fleht ihm zu vergeben.
    Die erfahrenere Freundin Egle gibt Amine den paradoxen Rat, sie solle Eridons Eifersucht nicht damit bekämpfen, daß sie ihre Unschuld herausstreicht, sondern indem sie sich eher zweideutig gibt. Eridon steigere sich nämlich in seine Eifersucht hinein, weil er so wenig Anlaß dazu habe.
Da er kein Elend hat, will er sich elend machen.
Also muß man ihm in homöopathischen Dosen das Gift einimpfen, das seine Krankheit heilen soll. Eridon sei sich ihrer einfach zu sicher, deshalb müsse er verunsichert werden:
Begegn’ ihm, daß er glaubt Du könntest ihn entbehren, / Zwar er wird rasen, doch das wird nicht lange währen, / Dann wird ein Blick ihn mehr, als jetzt ein Kuß erfreun, / Mach, daß er fürchten muß, und er wird glücklich sein.
    Eine zu raffinierte Strategie für Amine, das sieht schließlich auch Egle ein, darum wählt sie eine andere Therapie. Sie läßt Eridon gegenüber ihre verführerischen Reize spielen. Als er ihr endlich um den Hals fällt und sie abküßt, läßt sie es zunächst geschehen, um ihn sodann mit der Frage zu beschämen:
Liebst Du Aminen?
〈...〉
Und kannst mich küssen? / O warte nur, Du sollst mir diese Falschheit büßen!
Er soll am eigenen Leibe erfahren, daß sich beides miteinander verbinden läßt, die Liebe und ein Küßchen da und dort, oder mit den Worten Eridons:
So eine kleine Lust wird Dir mein Herz nicht rauben.
    Indes ganz so harmlos ist die Angelegenheit doch nicht. Es spielt hier nämlich ein Motiv herein, das bei Goethe später – man denke nur an die »Wahlverwandtschaften« – große Bedeutung erhalten wird: der phantasierte Treuebruch. Man umarmt die eine, und denkt an die andere. Wer ist nun gemeint? Abgründig ist die Anonymität des Begehrens. Die Personen scheinen austauschbar zu sein. Die Objekte des Begehrens werden obskur. Solche Aspekte sind fast schon zu bedeutungsschwer für ein Rokokospiel. Goethe selbst kommt in seinen Lebenserinnerungen darauf zu sprechen, indem er auf die
kränkenden und demütigenden Erfahrungen
hinweist, aus denen dieses Luftgebilde entsprungen ist.
Ich ermüdete nicht, über Flüchtigkeit und Neigungen, Wandelbarkeit des menschlichen Wesens, sittliche Sinnlichkeit und über alle das Hohe und Tiefe nachzudenken, dessen Verknüpfung in unserer Natur als das Rätsel des Menschenlebens betrachtet werden kann.
    Das Stück über die kurierte Eifersucht endet heiter. Weniger heiter war das Ende der Geschichte mit Kätchen, obwohl es im Brief an Behrisch heißt:
wir haben uns getrennt, wir sind glücklich
. In diesem Brief folgt auf die scheinbar gelassene Feststellung, man habe mit der Liebe angefangen und höre mit der Freundschaft auf, ein abrupter Wechsel des Tonfalls.
Doch nicht ich,
heißt es weiter.
Ich liebe sie noch, so sehr, Gott so sehr.
Goethe ist noch längst nicht fertig mit ihr. Er möchte das Mädchen nicht verlassen, kann ihr aber auch keine Hoffnungen machen. Er fühlt sich schuldig, deshalb wünscht er sich zur eigenen Entlastung, sie möge einen
rechtschaffnen Mann
finden – wie
fröhlich
würde er dann sein! Er wird ihr, verspricht er, nicht den Schmerz antun, sich mit einer anderen Frau zu verbinden. Er wird warten, bis er sie in den Armen eines anderen sieht, dann erst wird er sich

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