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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Gasthof, es war mir Alles gleich.
    Was Goethe an Hafis anzog und anregte, war der noch in der Übersetzung spürbare leichte und verspielte Ton, in dem Alltägliches und Erhabenes, Sinnliches und Spirituelles, Gedanke und Phantasie, Weisheit und Witz, Ironie und Hingabe abwechseln und miteinander verbunden werden. Es gefällt dem orientalischen Dichter, schreibt Goethe in »Besserem Verständnis«,
uns von der Erde in den Himmel zu erheben und von da wieder herunter zu stürzen oder umgekehrt
. Lieben, Singen, Trinken und Beten, sind dabei die unerschöpflichen und deshalb wiederkehrenden Themen.
    Was Hafis betrifft so hebt Goethe noch einige Züge in den Noten und Abhandlungen besonders hervor. Hafis war einerseits ein Lehrer und ein Gelehrter, der sich streng mit theologischen und grammatischen Fragen beschäftigte. Die Gedichte stehen nun in einem Gegensatz dazu. Hafis dichtete offenbar anders, als er sonst dachte. Verspielt, ironisch und erotisch bisweilen frivol, sind diese Gedichte ein Beispiel dafür,
daß der Dichter nicht geradezu alles denken und leben müsse was er ausspricht
. Daran sollte man sich erinnern, damit man nicht in Versuchung gerät, die Liebesgeschichte, die im Herbst 1814 auf der Gerbermühle in Frankfurt beginnt und sich im nächsten Sommer fortsetzt, vom literarischen Maskenspiel, worin sie sich realisiert, ablösen zu wollen. Auch Goethe hat in dieser Situation nicht alles gelebt, was da in den Gedichten zur Sprache kam. Beide, Marianne und er, waren sich dessen sehr bewußt. Er habe sich, schreibt er an Zelter, eine
Dichtart
ausgesucht, die ihm erlaubt,
in Liebesangelegenheiten so albern zu sein, als nur immer die Jugend.
    Am 25. Juli 1814 brach Goethe nach Wiesbaden auf. Statt die böhmischen Bäder zu besuchen, wollte er diesmal in den Westen zur Kur reisen, was man in den Jahren zuvor wegen der Kriegsereignisse nicht unbedenklich tun konnte. Für Goethe war das eine Art, den Frieden zu genießen. Auch Zelter hatte sich für eine Kur dort entschieden. Die Freunde würden also zusammen sein können. Auch das nahe Frankfurt sollte besucht werden, und mit Sulpiz Boisserée sollte es zu dem schon lange geplanten Treffen kommen, bei dem ihm der junge Freund einiges aus seiner Sammlung altdeutscher Kunstwerke zeigen wollte; Goethe hatte sich bereiterklärt, etwas darüber zu schreiben. Viele Gründe, sich auf den Weg zu machen. Diesmal war es ein besonders beschwingter Aufbruch, und schon am Morgen des ersten Reisetages notiert Goethe in der Kutsche aus Vorgefühl und schönen Ahnungen ein Gedicht, das dann ins erste Buch des »West-östlichen Divan« aufgenommen wird unter dem Titel »Phänomen«:
Wenn zu der Regenwand / Phoebus sich gattet, / Gleich steht ein Bogenrand / Farbig beschattet. // Im Nebel gleichen Kreis / Seh ich gezogen, / Zwar ist der Bogen weiß, / Doch Himmelsbogen. // So sollst du, muntrer Greis, / Dich nicht betrüben, / Sind gleich die Haare weiß, / Doch wirst du lieben.
    Es ist der 4. August, als Goethe in Wiesbaden Besuch empfängt von Johann Jakob von Willemer und seiner Pflegetochter Marianne Jung. Willemer war ein erfolgreicher Frankfurter Bankier, Förderer des Theaters und der Künste, Verfasser von Theaterstücken und moralphilosophischen Schriften. Groß gewachsen, eine imposante Erscheinung mit Erfolg bei den Frauen. Marianne Jung war als junges Mädchen eine außerordentlich begabte Tänzerin gewesen. Die Männer verliebten sich reihenweise in sie, auch Clemens Brentano, der sie heiraten wollte. Im Jahr 1800 hatte der soeben verwitwete Willemer die Fünfzehnjährige als Pflegetochter in sein Haus aufgenommen; in Frankfurt ging das Gerücht, er habe sie der Mutter, einer erfolglosen Schauspielerin, abgekauft. Marianne wurde zusammen mit den Töchtern erzogen. Als sie, eine schwarzlockige Schönheit, zusammen mit Willemer Goethe in Wiesbaden besuchte, war sie neunundzwanzig. Goethe und Willemer kannten sich seit Jugendtagen. Wenn Goethe nach Frankfurt kam, pflegte er immer auch bei Willemer einen Besuch zu machen, der ihm auch gelegentlich Geld vorstreckte. Der erfolgreiche Bankier begegnete Goethe selbstbewußt, doch auch mit Bewunderung. Er äußerte einmal zu Goethes Mutter, er habe noch nie etwas gelesen, das ihn so bewegt hätte wie »Wilhelm Meister«. Später, als er Marianne bei sich aufnahm, bemerkte Goethes Mutter süffisant, Willemer eifere offenbar dem Theaternarren Wilhelm Meister nach. Die heikle Beziehung Willemers zu seiner Pflegetochter kommt

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