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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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kerkermäßig ängstlich
. Die Einheit der Handlung und der Zeit –
lästige Fesseln unserer Einbildungskraft
. Die Befreiung von solchem Regelzwang wird mächtig nachwirken im »Götz von Berlichingen«, den Goethe bereits im Sinn hatte, als er diese Rede schrieb. Man merkt es an der martialischen, waffenklirrenden Sprache. Er liege mit dem überkommenen Theater in
Fehde,
erklärt er und wetterte gegen die französische Adaption der griechischen Antike:
Französgen, was willst du mit der griechischen Rüstung, sie ist dir zu groß und zu schwer
. Gegen die erkünstelten Figuren führt er Shakespeares lebensvolle Charaktere ins Feld:
Und ich rufe Natur! Natur! nichts so Natur als Schäkespears Menschen.
Prometheus, sein Schutzpatron, taucht in dieser Rede bereits auf.
Er
〈Shakespeare〉
wetteiferte mit dem Prometheus, bildete ihm Zug vor Zug seine Menschen nach, nur in
Kolossalischer Größe.
    Der Redner rühmt und polemisiert mit starken, wilden und ungenauen Worten. Nur an einer Stelle charakterisiert er Shakespeares Theaterkunst prägnant und so treffend, daß er auch später gerne auf diese Formulierungen zurückkam.
Schäckespears Theater ist ein schöner Raritäten Kasten, in dem die Geschichte der Welt vor unsern Augen an dem unsichtbaren Faden der Zeit vorbeiwallt.
〈...〉
seine Stücke, drehen sich alle um den geheimen Punkt, (den noch kein Philosoph gesehen und bestimmt hat) in dem das Eigentümliche unsres Ichs, die prätendierte Freiheit unsres Wollens, mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt.
Hegel hätte das ein halbes Jahrhundert später nicht besser sagen können.
    Mit seiner Shakespeare-Rede wollte Goethe vor allem sich selbst zu kühnen, schöpferischen Taten ermuntern. Schwerer fiel es ihm, sich für das immer noch ausstehende juristische Doktorexamen aufzuraffen,
das eigentliche Wissen ging mir ab, und keine innere Richtung drängte mich zu diesen Gegenständen
.
    Wenn es nicht die innere Richtung war, mußte es eben die äußere sein: der Vater drängte. Und so verfaßte Goethe im Frühsommer 1771 endlich seine Dissertation. Er wählte als Thema die Frage nach dem rechten Verhältnis zwischen Staat und Kirche, er wollte Antwort geben auf die Frage, ob der Staat die Religion seiner Untertanen bestimmen dürfe. Seine Antwort läßt sich nur aus den Andeutungen in »Dichtung und Wahrheit« erschließen, die Dissertation selbst ist nicht erhalten geblieben. Demnach hat Goethe eine doppelte Antwort gegeben. Der Staat dürfe, so argumentiert er, den öffentlichen Kultus der Religionsgemeinschaften festsetzen und für die jeweiligen Geistlichen und Laien verbindlich machen, doch ohne kontrollieren zu wollen,
was Jeder bei sich denke, fühle oder sinne
. Es steht ihm also Herrschaft zu über das äußere, nicht aber über das innerliche religiöse Leben. Die subjektive Religiosität sollte frei bleiben, das war er seinen frommen Freunden, Susanna von Klettenberg, Langer und Jung-Stilling schuldig, auch dem jüngst unternommenen eigenen Versuch mit der Frömmigkeit billigte er selbstverständlich ein Freiheitsrecht zu, allerdings ohne von solcher Frömmigkeit in dieser Abhandlung auch nur das Geringste merken zu lassen. Er verteidigt zwar den Schonraum für die
häuslichen, herzlichen, gemütlichen
Angelegenheiten der Religion, doch scheint er sich der
herzlichen
und
gemütlichen
Aspekte der christlichen Religion so wenig angenommen zu haben, daß die Dissertation bei den Straßburger Theologen als skandalös empfunden wurde. Elias Stöber, einer von ihnen, schrieb seinem Freund: »Der Herr Goethe hat eine Rolle hier gespielt, die ihn als einen überwitzigen Halbgelehrten und als einen wahnsinnigen Religionsverächter nicht eben nur verdächtig, sondern ziemlich bekannt gemacht. Er muß, wie man fast durchgängig von ihm glaubt, in seinem Obergebäude einen Sparren zuviel oder zuwenig haben.« Ein anderes Mitglied der Fakultät äußerte die Vermutung, daß der junge Mann mit »einigen Bosheiten des Herrn von Voltaire« sich gebläht habe, so etwa habe er behauptet, daß »Jesus Christus nicht der Begründer unserer Religion« gewesen sei, vielmehr hätten »Gelehrte sie unter seinem Namen« gemacht, um eine »gesunde Politik« damit auf den Weg zu bringen.
    Der Dekan der Fakultät bat Goethe, seine Dissertation entweder zurückzuziehen oder ohne den Segen der Universität zu veröffentlichen. Eine Drucklegung unter Verantwortung der Universität sei ausgeschlossen. Goethe behauptet

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