Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
Vom Netzwerk:
in »Dichtung und Wahrheit«, daß ihm das gerade recht gewesen sei, denn immer noch habe er sich gesträubt, etwas Gedrucktes in die Öffentlichkeit zu bringen. Er schickte das Elaborat seinem Vater, der eine Abschrift fertigte und sie sorgfältig abheftete. Und doch ging sie verloren. Der Vater war enttäuscht über den Verlauf der Angelegenheit. Es konnte ihn auch nicht zufriedenstellen, als der Sohn sich nach dem Scheitern der Dissertation mit der Prüfung für ein Lizentiat begnügte. Für diesen verminderten Abschluß brauchte er nur einige Thesen aufzustellen und zu verteidigen. Das war für ihn selbstverständlich ein leichtes Spiel. Gegen eine weitere Geldzahlung hätte Goethe sich den Doktortitel doch noch kaufen können, worauf er aber verzichtete, weil das Lizentiat in der allgemeinen Öffentlichkeit dem Doktorgrad gleichgesetzt wurde. Nicht aber bei den Frankfurter Juristen, sie bestanden auf dem Unterschied. Und darum konnte er später im dortigen Geschäftsverkehr den Titel nicht führen. Sonst aber wurde er allenthalben ›Doktor‹ genannt.
    Im August 1771 verläßt dieser frischgebackene ›Doktor‹ Straßburg, um ins väterliche Haus nach Frankfurt zurückzukehren. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß er Friederike noch einmal besucht hätte, um endgültig von ihr Abschied zu nehmen.
    Anmerkungen

Sechstes Kapitel
    Der Advokat. Juristische Streitsachen als Übung und Vorspiel zum
    »Götz von Berlichingen«. Götz als Western-Held. Faustrecht.
    Der souveräne Mensch gegen die Moderne. Der Schwester zuliebe
    durchhalten beim Werk. Der Autor als Selbsthelfer. Erste Reaktionen.
    Goethe kehrte im August 1771 ins väterliche Haus zurück. Sogleich beantragte er beim Schöffengericht die Zulassung als Advokat, im respektvollen Amtsdeutsch jener Jahre,
so kann mir nunmehro nichts angelegner und erwünschter sein, als die bisher erworbene Kenntnisse und Wissenschaften meinem Vaterlande brauchbar zu machen, und zwar vorerst als Anwalt
〈...〉
, um mich dadurch zu denen wichtigern Geschäften vorzubereiten, die, einer Hochgebietenden und verehrungswürdigen Obrigkeit mir dereinst hochgewillet aufzutragen, gefällig sein könnte.
Die weitergehenden Ambitionen werden angedeutet, dem Wunsch des Vaters entsprechend, dem die Advokatur als bloße Durchgangsstation galt auf dem Weg zu den höheren Ämtern. Auch der Sohn sollte Schultheiß werden, wie der Großvater Textor, der dieses höchste bürgerliche Amt der Freien Reichsstadt bis 1770 bekleidet hatte und kurz vor Goethes Rückkehr aus Straßburg gestorben war. Goethe erhielt die Zulassung am 3. September 1771. Er wird, von zahlreichen längeren und kürzeren Reisen und Rückzügen ins Schreiben unterbrochen, die Anwaltstätigkeit zuerst wirklich und später fast nur noch formell bis zum Herbst 1775 fortsetzen und in diesem Zeitraum 28 Prozesse führen.
    Es war für ihn nicht schwer, in diesem Berufsfeld seinen Platz zu finden. Familiäres Ansehen und Beziehungen halfen. Zwar gab es ein Überangebot an Advokaten, doch einflußreiche Freunde und Bekannte, die erfolgreich im Anwaltsgeschäft tätig waren, wie etwa die Brüder Schlosser, überließen ihm manche Rechtssachen und Prozesse. Auch der Vater half, nicht ganz uneigennützig, denn es war für ihn eine Gelegenheit, aus dem Dasein als Privatier herauszukommen und Anschluß an das praktische juristische Geschäft zu finden.
    Die Advokaten standen in einer Stadt wie Frankfurt, die berühmt und berüchtigt war für ihre zahlreichen Rechtshändel, nicht im besten Ansehen. Darauf spielt Goethe im »Götz« an, wo ein Doktor beider Rechte mit Namen Olearius von Frankfurt erzählt:
der Pöbel hätte mich fast gesteinigt wie er hörte, ich sei ein Jurist
. Doch wer von so guter Familie war wie Goethe, dem blieb selbstverständlich das Schicksal eines Winkeladvokaten erspart. Gleichwohl mußte er sich, wie die anderen Anfänger auch, die Klienten zunächst unter den Kleinbürgern, Handwerkern und den Juden aus dem Getto suchen. Er hatte fast durchweg mit Zivilsachen zu tun.
    Die in Frankfurt übliche Rechtspraxis sah eine mündliche Verhandlung nicht vor. Die Streitsachen wurden zwischen den durch ihre Anwälte vertretenen Parteien schriftlich verhandelt. Bereits im ersten Prozeß, den der junge Goethe bestritt, kam es zu einer kuriosen Situation. Der Anwalt der Gegenpartei war sein Schulfreund Moors, der ein halbes Jahr vor ihm als Advokat in Frankfurt angefangen hatte. Die beiden steigerten sich, wohl mit

Weitere Kostenlose Bücher