Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
sie dem Wiedervergeltungs Recht aus.
Goethe bemerkte, daß solche Reden nicht zu Elisabeth passen und strich sie in der zweiten Fassung des »Götz«.
Von dieser kaum zu rechtfertigenden Art sind auch die anderen Händel, die Götz anzettelt. Da hat ihm der Bamberger Bischof einen seiner Gefolgsleute festgesetzt, und Götz überfällt daraufhin einen für den Bischof bestimmten Warentransport. Das ist einer der Raubzüge, deren sich der wirkliche Götz in seiner Lebensbeschreibung denn auch tatsächlich gerühmt hat. Wo immer die wirkliche Lebensgeschichte dieses Ritters mit der eisernen Hand durchscheint, gibt es, auch schon aus Sicht der Goethezeit, einen Rechtfertigungsnotstand. Da hilft dann nur noch der Hinweis auf die Reichstreue des Ritters. Die Fürsten und Landesherren verfolgen ihre territorialen Interessen, nur Götz ist treu und brav und erklärt sich bereit, für den Kaiser die Reichsgrenze gegen die Türken zu verteidigen. Weder der wirkliche noch der Goethesche Götz setzten das in die Tat um. Doch die Absichtserklärungen reichen hin, um das Wohlwollen des Kaisers zu motivieren, der deshalb bei Gelegenheit des Reichsexekutionsbeschlusses gegen Götz (und Selbiz) nicht will,
daß ihnen was zu leide geschähe
.
Wenn Goethe im Brief an Salzmann Götz als einen der
edelsten Deutschen
bezeichnet, meint er nicht den wirklichen Raufbold, sondern das Bild, das er sich von ihm zurechtgemacht hat. Weniger in seinem Verhalten als in den Urteilen der Nachgeborenen erscheint er als das Muster eines gelungenen, kraftvollen Menschen.
Für Elisabeth ist Götz ein wohltätiger Mensch, aber nicht aus Schwäche und Nachgiebigkeit.
Die Wohltätigkeit ist ein edle Tugend, aber sie ist nur das Vorrecht starker Seelen Menschen die aus Weichheit wohltun immer wohltun, sind nicht besser als Leute die ihren Urin nicht halten können.
Ein solcher Mensch will selbst gut leben, aber er läßt auch leben und ist ohne Mißgunst. Auch Neid ist ihm fremd. Er kann seinen Zorn ausagieren, muß ihn nicht in sich hineinfressen. In der Auseinandersetzung mit einem der Anführer der aufständischen Bauern äußert er Verachtung dem
Feigen
gegenüber,
dessen Galle wie ein bösartiges Geschwür innerlich herumfrißt, weil seine Natur nicht Kraft genug hat sie auf einmal von sich zu stoßen
. Er steht für seine Ehre ein, er kann sich selbst verteidigen und muß nicht zum Advokaten laufen. Die komplizierten gesellschaftlichen Vermittlungen, die Umwege über Institutionen, die Winkelzüge der Diplomaten sind ihm ein Greuel. Das gilt auch in Glaubensdingen. Götz benötigt keine Vermittlung, keinen Priester. Auch seinem Gott tritt er direkt gegenüber, am besten dann, wenn man sich stark fühlt.
Nur dann reflektiert Gott auf ein Gebet, wenn all unsre Kräfte gespannt sind
. Als unbeschädigte Natur erscheint Götz aus der Perspektive des Bruder Martin, einer Figur, die von Ferne an Luther erinnert. Dieser Mönch beklagt drei Arten der Verstümmelung der menschlichen Natur:
Armut, Keuschheit und Gehorsam
, und Götz ist für ihn das vollkommene Gegenbild: er hat gut zu leben, gut zu lieben und ist sein eigener Herr. Er braucht nicht zu kriechen, weil er kämpfen kann. Beim Anblick von Götz ruft Martin aus:
es ist eine Wollust einen großen Mann zu sehn
.
Mit alledem ist Götz die Verkörperung der Freiheit. Er lebt sie, er fordert sie nicht, er nimmt sie sich. Adelbert zu Götz:
du allein bist frei dessen große Seele sich selbst genug ist und weder zu gehorchen noch zu herrschen braucht um etwas zu sein.
Doch gerade diese Größe ist für neidische Naturen, wie Adelbert eine ist, auf Dauer schwer zu ertragen. Götzens Freiheit erinnert ihn an die eigene innere Unfreiheit. Er kann nämlich einen
mächtigen Nebenbuhler
nicht
blühen sehen
. Und darum wird ihm
alles Gefühl von Größe
beim anderen
zur
Qual
. Auch deshalb verrät er seinen einstigen Freund.
Ehe Götz von den Reichstruppen aus seiner belagerten Burg vertrieben wird, ergeht er sich in Visionen, die zu weichherzig sind, als daß sie zu ihm passen könnten, denn er träumt von Herren, die
das Übermaß von Wonne fühlen werden in Ihren Untertanen Glücklich zu sein
. Diese Visionen gehen auf die Rechnung eines Autors, der sich weichherzigen Stimmungen überläßt. Die Stunde der großen Versöhnung naht. Götz, dieser Kraftkerl aus der Zeit der Bauernkriege, verfällt in die empfindsame Sprache der Literatur um 1770:
wenn ihr wohl gebautes Gesegnetes Land, ihnen ein Paradies
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