Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
den »lebhaften Dank aller teutschen Patrioten« verdient. Wieland selbst distanziert sich zwar vorsichtig von solchem Lob, doch er gibt zu, daß hier ein Autor hervorgetreten sei, der zu großen Hoffnungen berechtige. Goethes vormaliges Hausblatt, die »Frankfurter Gelehrten Anzeigen«, lobt selbstverständlich auch: »Gleich auf den ersten Seiten sahen wir, daß es darinnen ziemlich bunt hergehen werde, aber wir vergaßen unsern Aristoteles und weideten uns trefflich.«
Es entstanden zahlreiche Nachahmungen. Das Ritterthema wurde Mode. Die Selbsthelfer mit und ohne eiserne Faust, die tüchtigen Matronen auf ihren Burgen, die zierlichen Burgfräuleins, die üblen Ränkeschmiede in alten Rüstungen, die verruchten schönen Frauen bei Hofe bevölkern nun die Bühnen. Da es den »Götz« wirklich gegeben hat und Nachkommen von ihm noch leben, die sich jetzt im Ruhme des Vorfahren sonnen können, kommen auch andere Träger berühmter Namen auf die Idee, sich in Stücken abschildern zu lassen. Ein Baron von Riedesel, Freiherr zu Eisenach, setzt einen Preis von 20 Dukaten aus für ein Schauspiel, das einen seiner Ahnen auf die Bühne bringt. Als Preisrichter war sogar Lessing vorgesehen. Daraus wurde nichts.
Goethes Name wurde über Nacht im ganzen literarischen Deutschland so bekannt, daß man ihm auch den wenig später anonym erschienenen »Hofmeister« von Lenz zuschrieb. Goethes Name stand für den neuen derb-kräftigen und empfindungsstarken Ton, für den theatralischen Bilderbogen, für die Befreiung von den konventionellen Theaterregeln, für das Fehlen einer didaktischen Tendenz, und für sprachliche Originalität. Allerdings war Goethe wenig später unbekümmert genug, um mit seinem Stück »Clavigo« zur traditionellen Theaterform zurückzukehren, als wollte er beweisen, daß er das eine kann, aber auch das Gegenteil davon.
Ein Gefühl von poetischer Allmacht überkommt ihn: Er will nicht nur, was er kann, er kann auch, was immer er will. Am 15. September 1773 berichtet er Kestner, woran er arbeitet:
Und
ein Drama fürs Aufführen damit die Kerls sehen daß nur an mir liegt Regeln zu beobachten und Sittlichkeit Empfindsamkeit darzustellen. Adieu. Noch ein Wort im Vertrauen als Schriftsteller, meine Ideale wachsen täglich aus an Schönheit und Größe, und wenn mich meine Lebhaftigkeit nicht verläßt und meine Liebe, so soll’s noch viel geben für meine Lieben, und das Publikum nimmt auch sein Teil.
In dieser Hochstimmung entwirft Goethe sein Prometheus-Drama.
Die Götter
, schreibt er Mitte Juli 1773 an Kestner,
haben mir einen Bildhauer hergesendet, und wenn er hier Arbeit findet wie wir hoffen so will ich viel vergessen.
〈...〉
Ich bearbeite meine Situation zum Schauspiel zum Trutz Gottes und der Menschen.
Den Stoff für seinen »Prometheus« suchte er sich zusammen aus Hederichs Nachschlagwerk, »Gründliches mythologisches Lexikon«, aus Aischylos, Lukian und Ovid. Zwei fragmentarische Akte, mehr ist nicht zustande gekommen. Ein handlungsarmes Stück mit einer Reihe großer Sprachgesten, denn der Trotz gegen die Götter ist das Thema. Prometheus tritt als Rebell auf, der den Göttern nicht mehr untertan sein will. Im Hintergrund erblickt man den Kaukasus. Der Mythenkundige weiß: Dort wird Prometheus angeschmiedet werden von den Göttern, zur Strafe dafür, daß er den Menschen das Feuer gebracht hat. Das Stück wählt aber eine andere Episode aus der Prometheus-Erzählung. Die Götter bieten dem Prometheus, um ihn ruhigzustellen, einen komfortablen Platz auf dem Olymp an, doch in Abhängigkeit von ihnen, als eine Art
Burggraf
, wie Prometheus spöttisch im »Götz«-Ton bemerkt. Epimetheus, der Bruder, rät zur Annahme des Angebots. Darauf Prometheus:
Sie wollen mit mir teilen, und ich meine / Daß ich mit ihnen nichts zu teilen habe. / Das was ich habe können sie nicht rauben
. Er meint damit:
Der Kreis den meine Würksamkeit erfüllt.
Dem Autor Goethe, im Hochgefühl seines Erfolgs und seiner poetischen Potenz, geht es beim Thema
Wirksamkeit
vor allem um das dichterische Schaffen, um die Macht der Worte, und deshalb läßt er Minerva auftreten als Göttin des inspirierten Wortes. Prometheus fühlt sich mit ihr verbündet und schildert die wunderbare Wirkung, welche die Göttin auf ihn ausübt. Diese Verse handeln vom eigentümlichen Vorgang der Inspiration. Goethe kannte das, wenn man sich plötzlich als Medium erfährt für Ideen und Einfälle, die einen durchfluten; wenn das gewöhnliche
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